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Volltext: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts : ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Band 1: Charakteristik und Entwicklung der Stadt, Ingenieurbauten

F. BELEUCHTUNOSWESEN. 
DAS STÄDTISCHE GASWERK. 
Geschichtliches. 
Im Jahre 1877 sollte der Vertrag mit der Imperial Continental Gas Association, welche Wien mit Gas 
versorgte, ablaufen und die Beleuchtung fortan in eigener Regie besorgt werden. Der Gemeinderat ließ deshalb 
im Jahre 1872 durch R. Kühneil ein Projekt für den Bau einer Gasanstalt anfertigen; dasselbe wurde jedoch 
nicht ausgeführt, weil man den Konkurrenzkampf mit der englischen Gesellschaft fürchtete und an der 
Möglichkeit der rechtzeitigen Vollendung des Werkes zweifelte. Es wurde deshalb 1875 mit der Imperial 
Continental Gas Association ein neuer Beleuchtungsvertrag vom 1. November 1877 bis 31. Oktober 1899 
abgeschlossen. Die Gemeinde wahrte sich das Recht, den Vertrag nach zwölf Jahren auflösen zu dürfen, 
sowie das Recht der Ablösung um den Schätzwert nach Vertragsablauf. Die bezügliche Absicht der Gemeinde 
war drei Jahre vor dem betreffenden Termine bekanntzugeben. 
Schon im Jahre 1880 faßte der Gemeinderat den neuerlichen Beschluß, den Vertrag im Jahre 1889 
aufzulösen und strengte 1882 eine Präjudizialklage gegen die Imperial Continental Gas Association an, um 
festzustellen, daß dieselbe verpflichtet sei, das Rohrnetz nach Vertragsablauf aus den Straßen zu entfernen. 
Dieser Prozeß wurde jedoch erst 1890 endgültig zugunsten der Stadt entschieden, und die Folge der Ver 
zögerung war, daß trotz des 1885 von der Gaskommission des Gemeinderates gestellten neuerlichen An 
trages die Auflösung des Vertrages im Jahre 1889 doch nicht erfolgte. 
Die Gasfrage ruhte nun, bis anläßlich der Einverleibung der Vororte die englische Gesellschaft im 
Jahre 1891 der Gemeinde den Vorschlag machte, den Wiener und die Vororteverträge zu annullieren und 
einen das ganze Gemeindegebiet umfassenden Vertrag abzuschließen. Dieser Antrag wurde abgelehnt, dagegen 
der Magistrat beauftragt, alles zur Übernahme der Gasbeleuchtung im Jahre 1899 Erforderliche vorzusehen 
und der Bürgermeister ermächtigt, die im Vertrage vorgesehene, für beide Teile verbindliche gerichtliche 
Schätzung vornehmen zu lassen. Diese Schätzung wurde, einverständlich mit der Gesellschaft, schon im 
Jahre 1894 vorgenommen und ergab eine Summe von 32,318.400 Kronen. 
Die Erbauung eigener Werke wurde weiter im Auge behalten und 1892 ein Konkurs für die Ver 
fassung eines neuen Gaswerksprojektes ausgeschrieben. Das mit dem ersten Preise ausgezeichnete Projekt 
des Ingenieurs Schimming wurde noch im selben Jahre einer Detailausarbeitung durch die städtischen Or 
gane unterzogen, was zur Aufstehung eines ganz neuen Projektes für ein Zentralgaswerk in Simmering 
führte. Dieses fußte auf der Annahme, daß nicht nur die alten, sondern auch die neuen Stadtbezirke von 
dem städtischen Werke mit Gas zu versorgen sein werden. Es erfolgte hierauf (30. Oktober 1894) die Ein 
bringung einer Feststehungsklage über die Frage, ob die Beleuchtungsverträge der Imperial Continental Gas 
Association mit den Vororten durch deren Einverleibung erloschen seien oder nicht. 1 ) Unterdessen ver 
handelte die Gemeinde mit der englischen Gesellschaft wegen Herabsetzung des Übernahmspreises unter 
den Schätzungswert, doch ohne Erfolg. Ebenso resultatlos blieben die Verhandlungen des zeitweilig mit 
der Führung der Geschäfte der Reichshaupt- und Residenzstadt betraut gewesenen landesfürstlichen Kom 
missärs, welcher, um der Gemeinde vollkommen freie Hand zu wahren, die Bewilligung zur Aufnahme eines 
60 Millionen Kronen-Anlehens für den anfälligen Bau eines städtischen Gaswerkes erwirkte. 
Als im Frühjahre 1896 die neugewählte Gemeindevertretung die Geschäfte übernahm, trat in der 
Gasfrage eine entschiedenere Stellungnahme ein; von dem Rechte der Übernahme der Gaswerke zum 
Schätzungswerte wurde bis zu dem Erklärungstermin (31. Oktober 1896) von der Gemeinde kein Gebrauch 
gemacht, doch wurde noch immer mit der Imperial Continental Gas Association verhandelt, welche schließ 
lich ihre Werke der Gemeinde, bei sofortiger Übergabe der Werke, um 70 Millionen Kronen anbot. Dieses 
Diese Klage wurde später zugunsten der Imperial Continental Gas Association entschieden. 
Bd. I. 
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