Entstehung ablesen kann. Im künstlerischen Schaffen jeder Generation
dokumentiert sich ihre Stellung zur Natur ebenso wie zu Gott und zur
Mathematik. Und je stärker die ganze Gegenwart in ein Werk eingespamit
ist, um so gewisser ist seine Ewigkeitsgeltung.
Würde der Mensch in Jahrtausenden immer nur unabänderlich die gleiche
Architektur und die gleichen Kunstformen hervorbringen, so wäre sein
Schaffen nichts anderes als die Bauten der Bienen und Termiten: ein Natur
produkt auf gleicher Ebene mit den komplizierten Nestern mancher Vögel,
dem Netz der Spinnen und dem Schneckenhaus. Was aber den Menschen
hinaushebt über andere Wesen, ist seine Wandlungsfähigkeit aus eigener
Geisteskraft, die dem mittelalterlichen Katholiken und seiner gesamten Welt
eine gänzlich andere Struktur gab als etwa dem Griechen der klassischen
Zeit. Wie die Natur in ihrer Monotonie ewigen Werdens und Vergehens die
Verkörperung eines dunkelgrandiosen Geheimnisses ist, so ist die Kunst
eine gleich unfaßbare, organisch aus Menschenherz und -hirn geborene
zweite Schöpfung, die von Anbeginn an zu allen Zeiten der Sehnsucht nach
Dauer, nach Ewigkeit entspringt und das im Strudel der Zeit versinkende
geistige Antlitz ihrer Generation festhalten möchte in Stein, Bronze, Holz
und in farbigen Abbildern über Geburt und Tod hinaus.
Das gilt für die Menschheit unserer Tage ebenso wie für jede andere Epoche.
Wir erleben, daß die heutige Jugend, in Auflehnung gegen die vom Tempo
der Zeit diktierte erbarmungslose Materialisierung und Intellektualisierung,
sich wieder mit elementarer Gewalt der Natur zuwendet. Eine mächtige und
allen Ländern der Welt gemeinsame Erscheinung, der Sport, schafft hier den
notwendigen Ausgleich. Ein neuer Menschentyp erscheint: spielfreudige,
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