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zelnen braven Kollegen — so sehr dies auch zu wünsdien
war — eine Verkaufsgelegenheit zu schaffen, sondern in der
ausgesprochenen Absicht, Arbeit und Brot den notleidenden
Kunsthandwerkern, insbesondere den reinen Dekorations
gewerben, auf längere Sicht zu gewährleisten.
Es war von allem Anfang klar, daß sie auf diesem Wege
mit vermeintlich ästhetischen, hygienischen und sonstigen
Sachlichkeitserwägungen in widerstreitende Berührung kom
men mußte. Als Vertretung vorwiegend wirtschaftlicher In
teressen konnte sie sich die Freiheit nehmen, diese und
ähnliche Einwände zu Gunsten der nackten Existenz ihrer
Mitglieder zu vernachlässigen. Sie konnte es um so leich
teren Herzens tun, als ihr unbestritten schien, daß auch
diesen Erwägungen eine gewisse zeitliche Bedingtheit an
hafte und selbe sicherlich keinen Anspruch auf Ewigkeits
geltung erheben.
Als wirtschaftliche Interessenvertretung war es ihre Pflicht,
den als richtig erkannten Weg, unbeschwert von allen
ästhetisierenden Bedenken, zu beschreiten, um den durch
wesensfremde Stilexperimente in ihrer Existenz aufs meiste
gefährdeten kunstgewerblichen Gruppen wieder Betätigungs
raum zu schaffen. Sie erfüllt damit nicht nur eine selbst
verständliche Aufgabe als Standesorganisafion, sie dient
im weiteren Sinne den wohlverstandenen Interessen heimi
scher Volkswirtschaft, der es in Zeiten des Wiederaufbaues
nicht gleichgültig sein kann, ob tausende leistungsfähiger
Kunsthandwerker mit Familien, Meistern, Gesellen und
Lehrlingen aus dem Arbeitsprozeß systematisch ausgeschal-
fet bleiben oder nicht. Mehr als sonst wann gilt in diesen
Zeiten und für diese Ausstellung das alte Wort: zuerst
leben und dann — philosophieren, zuerst unsere Kunst
handwerker von dem harten Druck drohender wirtschaft
licher Subsistenzlosigkeit befreien, um sie zu irgendwelchen
Spitzenleistungen in ihrem Fache zu befähigen.
Die ehrlichen und wohlmeinenden Absichten der Sektion er
hielten eine kräftige Unterstützung durch den Umstand,
daß eine Persönlichkeit vom Range eines Josef Hoffraann
sich in den Dienst der Ausstellung stellte und in unver
wüstlicher Schaffensfreude das sich darbietende Problem
in zahlreichen schöpferischen Entwürfen zu meistern be
müht war. Ihm, der Wiens Kunsthandwerk schon einmal