SIDEROLITH AUS BODENBACH AN DER ELBE
Immer wieder kommen Keramiken zum Vorschein, deren glänzende Oberfläche we
der durch Glasieren noch durch Engobieren oder Polieren zustande kam. Der lak-
kartige Glanz führt auch zur Technik und zum Namen der Gattung, zur „Lackware“
Kerl (1907, S. 1040-41) definiert diese Keramiken folgendermaßen: „Unter Lack
ware, auch Siderolith (zu deutsch Eisenstein) genannt, versteht man diejenigen
mehr oder weniger porösen und mitunter dem Steinzeug sich nähernden Gefäße,
welche aus einem meist farbig brennenden Thon hergestellt sind und an Stelle der
Glasur einen Lack- oder Wachsfarbenanstrich (auch Bronzirung oder Vergoldung)
erhalten, um den porösen Scherben zu dichten und ihm ein geschmackvolleres
Aussehen zu verleihen. Derartige Gegenstände werden hauptsächlich im nördli
chen Böhmen, ferner im Königreich und in der Provinz Sachsen, in Oesterreich, auf
Bornholm (in Nachahmung antiker Gefäße und an anderen Orten mehr angefertigt.
Die Bedeutung der Lackwaarenindustrie wird gewöhnlich unterschätzt, obgleich sie
thatsächlich in vielen und ausgedehnten Fabriken ausgeübt wird und eine recht be
trächtliche Anzahl von Arbeitern beschäftigt. Die Lackwaaren sind hauptsächlich für
die Ausfuhr bestimmte Schau- und Prunkstücke und nicht als Gebrauchs- bezw.
Speisegeräth geeignet, da die Lack- und Firnißfarben eine Erhitzung nicht vertragen
und auch zu rasch abgenutzt werden; dagegen sollen die Lackwaaren als beliebtes
Theegeschirr in England Anwendung finden. Ihr Vorzug beruht in der reichen Ver
zierungsfähigkeit mittelst des großen Farbenreichthums der Lack- und Firnißfarben,
der leichten Gestaltung und der geringen Brenntemperatur der Masse, welche dem
Modelliren fast keine Einschränkung auferlegt. Alles dies ermöglicht die billige Her
stellung von in Bezug auf Form und Farbengebung oft prächtigen Krügen, Vasen,
Ampeln, Leuchtern, Körben, Schreibzeugen und Nippsachen aller Art. Beiläufig be
merkt, sind die Lackwaaren daran erkennbar, daß sich die Farben mit dem Messer
leicht abschaben lassen und bei starkem Erhitzen den bezeichnenden brenzlichen
Geruch nach verbranntem Lack aufweisen.
Als Rohstoff für die Lackwaaren dient am zweckmäßigsten ein gut bildsamer Töp
fer- oder Steinzeugthon. Die Farbe des Scherbens ist von keiner Bedeutung, da die
farbigen Lacküberzüge dieselbe vollständig verdecken.
Die Gefäße werden gewöhnlich aus dem geschlämmten Thon in Gipsformen herge
stellt, nach dem Trocknen im Töpferofen gebrannt und nach erfolgtem Abkühlen
lackirt. Zu dem Zweck reibt man die anzuwendende Erdfarbe (z. B. Ocker, Umbra,
Eisenroth, Frankfurter Schwarz etc.) mit Terpentinöl fein, fügt Bernstein- oder Co-
palfirniß hinzu und überstreicht den Gegenstand mit der Mischung so lange, bis die
Farbe nach dem Trocknen ganz gleichmäßig vertheilt ist. Dann trägt man reinen Fir
niß auf und trocknet denselben scharf (raucht ab) in einer Muffel aus Chamotte-
masse oder Eisenblech bei solchen Hitzegraden, wie sie die menschliche Hand
noch ertragen kann. In höherer Temperatur wird der Lack blasiq und verbrennt
tneilweise.
Auch unechte Bronzen, Gold, Silber, Kupfer werden für die Verzierung der Lack
waaren verwendet. Behufs Bronzirung reibt man, je nach der gewünschten Farben
tonung, zu Gold-, Silber- oder Kupferfarbe Zinnoberroth, zu Bronzefarbe Chrom-
grün etc. in den Firniß zur Grundfarbe, überstreicht damit den Gegenstand, läßt den
irniß etwas trocknen und tupft sodann das feine Bronzepulver mit einem Dachs
haarpinsel auf. Vielfach findet man auch metallische Ueberzüge, welche auf galvani
schem Wege hergestellt werden.
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