Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
15. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1923. Nr. 23/24.
2)r. STheodor von SFrimmef.
Zu seinem 70. Seöurtsiage.
‘Von 2?r. JTlax 'U.nger (Beipzig).
Es mag pessimistisch klingen, aber es ist so: Von
den praktischen Künstlern mißachtet, von Staat und
Behörden vergessen, höchstens von den engen Kreisen
ernster geistiger Kunstfreunde als Berater freudig be
dankt, von weiteren aber übersehen — so stellt sich
das Bild des Privatkunstgelehrten von heute dar. Wenn
Schiller heute seine Teilung der Erde schriebe, würde
er an Stelle des Dichters gewiß den nicht beamteten
Kunstwissenschafter als den setzen, der von höhen
Idealen berauscht, das Irdische verlor; denn wenigsten^
auf die erfolgreichsten Dichter der Gegenwart mit
reichen Tantiemen trifft dies nicht mehr zu, gewiß aber
auf den Privatgelehrten. Selbstverständlich ist er nur
ein Diener höchster Kunst, und deshalb nicht ihren
zeitlosen Hohenpriestern, den ganz großen Künstlern,
an die Seite zu stellen. Wenn es sich aber darum
handelte, zu entscheiden, wem der Vorrang zuzugestehen
sei, dem Bildner zweiten oder dem Kunstwissenschafter
ersten Grades, so würde ich wenigstens unbedenklich
den zweiten nennen: Wer imstande ist, die wahre Er
kenntnis der Ewigkeitskunst zu erschließen, erscheint
mir wertvoller, als ein bloßer Durchschnittskünstler, der
im Anschlüße an die großen Vorbilder nur eben Tüchtiges
leistet, dem es aber nicht gegeben ist, an der Entwicklung
seines Gebietes selbst mitzuwirken. Daß dies keine
Mißachtung kunstpraktischer Tüchtigkeit, sondern nur
ein sachliches Werturteil sein soll, ist wohl ohne
weiteres klar.
Dr. Theodor von Frimmel, auch den Lesern dieser
Blätter als unermüdlicher Mitarbeiter und Schriftleiter
bekannt, gehört zu der geschilderten unzeitgemäßen
Gattung von Kunstgelehrten, die ihr Leben uneigennützig
ihrem wissenschaftlichen Ideal widmet. Den „indirekten
Beweis“ dafür liefert die an sich wenig erfreuliche
Tatsache, daß ihm seine Bestrebungen in doppelter
Hinsicht nicht viel eingebracht haben, wieder viel materi
ellen Gewinn, noch äußere Ehrungen. Um so ehrenhafter
für ihn, daß sein Name in der Chronik sogar zweier
Gebiete der Kunstgeschichte, der Beethovenforschung
und der Gemäldekunde, mit Auszeichnung vermerkt steht.
Am 15. Dezember 1853 zu Amstetten geboren,
siedelte Theodor noch als Knabe mit seinen Eltern nach
Klosterneuburg über, wohin der Vater als Gerichts
beamter versetzt worden war. Der tätigen Liebe seiner
Mutter durfte er sich nicht lange erfreuen: Die Unglück
liche wurde über den Tod seines Brüderchens Emil
gemütskrank und starb nach langen Jahren in einer
Anstalt. In Klosterneuburg empfing der Knabe die ersten
künstlerischen Eindrücke: Eine fein gebildete Erzieherin
namens Luise Emmerling lehrte seine Schwester
Mizzi die Anfangsgründe des Klavierspieles und weckte
dabei vorerst auch seine musikalische Aufmerksamkeit.
Beethovensche Musik vermittelte ihm zum erstenmale
ein Wiener Kunstschriftsteller, namens G s c h 1 a d t,
mit dem Vortrage der „Adelaide.“ In Laa a. d. Thaya,
wohin Theodors Vater etwa 1859 als Bezirksvorsteher
versetzt wurde, bekam der Sechsjährige von der ge
nannten Dame den ersten regelmäßigen Klavierunterricht.
Durch Jos. Weidner, dem spä’eren Lehrer am Wiener
Konservatorium, wurden diese Studien sehr gefördert;
die meiste Anregung erhielt der etwa Dreizehnjährige
aber durch die Bekanntschaft mit der Familie des
Notars Breinreich, der zwei sehr musikbegabte
Töchter hatte. Ohne noch theoretische Kenntnisse zu
besitzen, machte der Knabe die ersten Kompositions
versuche. Etwa 1865 übersiedelte die Familie nach
Neunkirchen bei Wiener-Neustadt, wo der Vater das
Bezirksamt zu leiten hatte. Während der Gymnasialzeit
in Wiener-Neustadt hatte Frimmel viel Gelegenheit,
gute Musik zu hören. Besonderen Eindruck machte auf
ihn Klara Schumann mit Beethovens Rezitativ-Sonate.
Damals war R. S t ö c k 1 sein'jKlavierlehrer. Erfreulich
und förderlich waren ihm auch die gelegentlichen Be
suche des Onke's Ludwig Frimmel, Notars in
Gmunden, Duzfreundes Joseph Joachims und selbst
tüchtigen Geigers.
Nach Beendigung der Gymnasialstudien besuchte
der junge Frimmel die Wiener Universität. Er wollte
in die philosophische Fakultät, hatte indes mancherlei
Fächer belegt, die zur medizinischen gehörten, und wurde
so wie zufällig hierhin geschoben, wo er sich 1879
auch den Doktorhut erwarb. Musikalische Studien —
theoretische und praktische — sowie Zeichnen und
Malen waren bald seine Hauptbeschäftigung. Bei Hanslick
hörte er Musikgeschichte und besuchte fleißig die Vor
lesungen und Uebungen auf dem Gebiete der bildenden
Künste bei M. Th au sing und Eitelberger.
Klassische Archäologie wurde privatim mit Eifer