Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
16. Jahrgang. Wien, 1. April 1924. Nr. 7.
Das städtische SfJIuseum in Schärding.
Von Alois Deubler (Schärding).
Unter den Städten Oberösterreichs dürfte es kaum
eine zweite geben, welche im Laufe eines Jahrtausends
so oft einen Herrschaftswechsel erlebte, so oft Bela
gerungen, so viele Kriegs- und andere Drangsale er
duldet und überhaupt eine so reiche geschichtliche Ver
gangenheit zu verzeichnen hat, wie gerade die altß
Grenzstadt und einstige Festung Schärding am Inn. Die
Stadt ist heute noch von Mauern und Gräben umgeben,
es führen Stadttore ins Innere der Stadt; gar viele Häuser
haben noch ihr altes, einstiges Aussehen und au manche
derselben, sowie an verschiedene Oertlichkeiten knüpfen
sich historische Erinnerungen. Schärding hat aber auch
schon vor mehr als 60 Jahren einen ausgezeichneten
Chronisten gefunden, den trefflichen Geschichtsforscher
J. E. Lamprecht, dessen erstaunliche Unermüdlichkeit
in geschichtlicher Forschung und Gelehrsamkeit nicht
nur seiner Vaterstadt Schärding, sondern dem ganzen
Heimatlande Oberösterreich zu hohem Ruhme gereicht.
Dieser Umstand trug wesentlich dazu bei, daß in Schär
ding die allgemeine Kenntnis der Stadtgeschichte und
der Sinn für dieselbe unter der Stadtbevölkerung reger
blieb, als an manchen anderen Orten, Als nun vor un
gefähr 30 Jahren der Heimatgedanke emporzublühen
begann und durch Heimatfreunde allerorts nicht nur
Beachtung, sondern auch eifrige und verständnisvolle
Pflege fand, da tauchte auch hier die Idee auf, gerade
in Schärding, das eine so reiche Geschichte aufweist
und wo in vielen Häusern noch zahlreiche Gegenstände
der Erinnerungen aus der Geschichte der Heimat sich
vorfinden, sollte alles, was Heimatkunde betrifft, gepflegt
und gesammelt werden. Der Stadtapotheker, Reichsrats
und Landtagsabgeordneter Eduard Kyrie (f 1922),
ein tatkräftiger Mann, der jederzeit für alles Gute und
Schöne begeistert und selbstlos eintrat, der seine Heimat
und insbesonders seine Vaterstadt Schärding wie selten
einer liebte und sich auch seit Jahren schon mit der
Geschichte Schärdings beschäftigt hatte, war es nun,
der daran ging, den vorerwähnten Gedanken in Schär
ding in die Tat umzusetzen. Er trat vorerst in der Ge
meinde für die Erhaltung der alten Denk- und Grab
steine, sowie des altertümlichen Charakters der Stadt
mit jenem Eifer und jener Tatkraft ein, die man bei
seiner gesamten öffentlichen Tätigkeit beobachten konnte.
Dann erwog er, wie sich die Erhaltung aller geschicht
lichen Denkmäler Schärdings am besten verwirklichen
ließe. Auf Veranlassung Kyrle’s kam im Sommer 1904
der damalige Generalkonservator, Universitätsprofessor
Dr. Alois Riegl aus Wien, wegen Erhaltung mehrerer
alter, historischer Grabsteine an der Kirchenmauer nach
Schärding. Derselbe war von dem altertümlichen Cha
rakter der Stadt und dem hier Gesehenen ganz über
rascht und erfreut und äußerte sich bezüglich Schärdings
Kyrie gegenüber, „es wäre wohl die schönste Aufgabe,
all die zerstreut liegenden Denkmäler in sichere Obhut
zu bringen, was am besten durch die Errichtung einer
städtischen Sammlung erreicht werden könnte; er (Doktor
Riegl) zweifle nicht, daß bei der reichen Geschichte der
Stadt Schärding sich dieser Gedanke in erfolgreicher
Weise entwickeln und zur Durchführung bringen ließe“.
— Und dies geschah auch. Kyrie besprach den Plan
mit anderen Heimatfreunden und diese vereinigten sich
sodann im Herbste 1904 unter Führung Kyrles zu einer
„Gesellschaft zur Begründung und Erhaltung einer
städtischen Sammlung“. Diese anfangs freie Gesellschaft
wurde 1906 in den Musealverein der Stadt Schärding
und Umgebung umgewandelt und als Zweck des Ver
eines noch „die Erhaltung des bäuerlichen Charakters
der Stadt“ dazugenommen. Nun wurde fleißig gesammelt
und jetzt erfuhr" man erst, wie vieles, was für die Ge
schichte Schärdings oft sehr bedeutungsvoll war, noch
in manchen Häusern sich vorfand. Der Musealgesell
schaft, bezw. dem Musealverein standen durchaus keine
bedeutenden Geldmittel zur Verfügung, denn die von
den Mitgliedern geleisteten Beiträge waren sehr be
scheiden. Wohl hatte die Sparkasse Schärding anläßlich
der Feier ihres 40jährigen Bestehens im Dezember 1904
der Musealgesellschaft eine Jubiläumsspende von 500
Gulden zugewendet und auch von anderen Seiten kamen
nicht unbeträchtliche Geldspenden. Was aber die Zahl
und Reichhaltigkeit der gleich in den ersten Jahren er
worbenen und angesammelten Museumsstücke ganz be
sonders förderte, war der Umstand, daß weitaus die
meisten dieser Gegenstände nicht nur von der Stadt
bevölkerung, sondern auch von jener der Umgebung
zum Zwecke der Ausstellung und Sammlung im Museum
demselben geschenkweise überlassen wurden und nur
in sehr wenigen Fällen das Eigentumsrecht Vorbehalten
wurde, demnach nur weniges angekauft werden mußte.
Ein glücklicher Gedanke Kyrle’s war die mit Jänner
1905 beginnende Herausgabe einer kleinen Zeitschrift zur
Förderung der Zwecke des Musealvereines, die monat
lich einmal als Beilage zum „Schärdinger Wochenblatt“