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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
24. Jahrgang Wien, 1» Mai 1932 Nr, 9 
Stessen zum Sälscherpvozess Wacker. 
Von Waldemar May (München). 
Der Berliner Kunsthändler Otto Wacker 
wurde vom Schöffengericht Berlin-Mitte wegen 
gefälschter van Gogh- Bild er zu 
einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Gericht 
versagte sich nicht ein paar sehr kräftige Be 
merkungen gegen jene Kunstliebhaber, die -den 
expertieier enden Namen bezahl 
ten und von der Qualität des Bildes 
nichts verstehen. Besser als durch 
Schrift und Wort, so heißt es in der Urteilsbe 
gründung, werde eine gewisse Expertise 
durch die Tatsache enthüllt, daß ein paar mit 
Oelfarbe bemalte Stück Leinwand als Werke 
des Meisters van Gogh ausgegeben werden 
konnten. Im Gegensatz zu dieser Art Expertisen 
habe sich das Gericht ein eigenes Urteil über 
den Wert der Wackerschen Gemälde zuge 
traut, von denen es elf für zweifellos falsch 
erklärte. 
Die Vorgeschichte ist bekannt. Vor rund 31a' 
Jahren brachte der Berliner Kunsthändler Otto 
Wacker, nebenbei bemerkt als homo novus im 
Berliner Kunsthandel und wenig gut beleumundet in 
seiner Vorheimat Düsseldorf —- mit einem. Schlage 
gleich 30 Originale van G o g h s auf den Markt, 
die angeblich dazu alle aus ein und demselben Be 
sitz eines in der Südschweiz lebenden, aber 
ungenannten russichen Emigranten 
stammen sollten. 
Wacker ging mit seiner „Ware“ ganz „kunst 
gerecht“ vor. Er verschaffte sich dafür zunächst 
Empfehlungsschreiben des holländischen Kunst 
händlers und bekannten van Gogh-Kenners de La 
F a i 11 e. De la Faille erklärte alle 30 van Gogh 
unbedenklich für echt und hielt an dieser Fest 
stellung auch in seinem, kurze Zeit später er 
schienenen van Gogh-Katalog fest, der anläßlich 
einer großen Ausstellung bei Cassierer erschien. 
Aber schon im Verlaufe dieser Ausstellung kam nicht 
nur de la Faille der Verdacht, daß zum mindesten 
einige der Wacker‘sehen van Goghs falsch sein müß 
ten und man muß sich diese Sachlage gut merken, 
da hier die Veranstaltung einer öffentlichen Aus 
stellung nicht zum ersten Male klärender wirkte, als 
hundert verschiedene Expertisen oder andere Mei 
nungsäußerungen. De la Faille korrigierte demzu 
folge seine ursprüngliche Ansicht und 1 im Laufe der 
Zeit bekam er bezüglich aller der Wacker‘sehen 
Bilder so starke Zweifel, daß er sie in einem Nach 
träge zum Cassierer - Katalog im Dezember 1928 
alle für gefälscht erklärte, nachdem vor 
her noch ein Holländer, der auf seine Veranlassung 
1 hin drei der fraglichen van Gogh um zusammen 
94.000 Reichsmark erworben hatte, die Bilder zu 
rückgab. Im Prozesse nun änderte nach neueren 
Studien und Vergleichen de la Faille sein Urteil 
wiederum dahin, daß er nun doch mindestens 
fünf der Wacker'schen van Gogh für echt ansiah. 
Julius Meier-Gräfe war seinerzeit schon 
bei der Cassierer - Ausstellung den Wacker‘sehen 
van Goghs sehr skeptisch gegenübergestanden und 
hatte darum in Wacker gedrungen, die Provenienz 
der Bilder bekanntzugeben, Zweifellos verfolgte 
Meier-Gräfe damit den Zweck, über eine in diesem 
Falle unsichere, rein stilkritische Betrachtung hinaus 
seine Expertise durch Rückverfoigung des histo 
rischen Schicksals der Bilder zu ergän 
zen und somit für die Frage der Echt- oder Unecht 
heit ein Mehr an Gesichtspunkten und Prüfungsmög 
lichkeiten sich zu sichern. Wacker verweigerte unter 
Vorbringen, die unwahrscheinlich sind und hier nicht 
näher untersucht werden sollen, Meier-Gräfe die er 
betene Provenienzauskunft. Vor Gericht erklärte 
nun Meier-Gräfe als Sachverständiger die Bilder als 
„hei aller Qualität zweifelhaft“ und gab damit die 
mittlere und unverbindlichste Benotung ab, die in 
einer Expertise möglich ist, welche ja schließlich 
immer nur mit drei Graden: Zweifellos echt, zwei 
felhaft echt, unzweifelhaft falsch arbeiten kann. 
Nur bezüglich zweier Bilder, bei denen sich auch 
de la Faille zusprechend äußerte, pflichtete Meier- 
Gräfe de la Failles Meinung bei. 
Diese Stellungnahme war Meier-Gräfes gutes 
Recht und spricht für sein Verantwortungsgefühl an 
gesichts der ihm verweigerten Provenienzprüfung 
als Ergänzung seiner subjektiven Meinung mit ob 
jektiv verfolgbarem Material aus der historischen 
Provenienz der Bilder, Aber gerade angesichts die 
ser sichtbaren Bemühungen Meier-Gräfes um eine 
vollkommene Expertise versteht man nicht, wenn er 
in der Verhandlung glattweg jeden Wert der 
Expertise überhaupt verneinte, indem 
er erklärte, daß seiner Meinung nach Exper 
tisen überhaupt nur einen überaus 
geringen Wert hätten und dem noch anfügt, 
daß Leute, die auf Expertisen hin Bilder 
kauften, nichts anderes verdienten,
	        
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