KLEINE NACHRICHTEN Sie RESDEN. GEORG LÜHRIG, der Dresdner Künstler, der sich vor einigen Jahren durch einen phantastischen Todtentanz so vortheilhaft einführte, hat neuerdings wieder ein Werk vollendet, das sich jener ersten Bilderfolge würdig anschliesst. Es ist betitelt „Der arme Lazarus" und umfasst i6 Lithographien, die der Künstler selbst auf den Stein gezeichnet und gedruckt hat. Der Titel ist allegorisch gemeint, in Wirklichkeit meint der Künstler das Elend der Enterbten, das er theils in Schilderungen voll kräftiger Realistik, theils in allegorischenPhantasie- schilderungen dem Beschauer eindringlich zu Gemüthe führt. Das Titelbild gibt das Thema: Arme und Elende sind versammelt um ein hochgewachsenes Weib, das ihnen die Geschichte des armen Lazarus erzählt; der Vorhang ist zurück- gezogen, als Lichtbild tritt vor die Augen der Beschauer der armselige Mensch, der nackt und krank draussen in der Einöde hingestreckt liegt, das müde Haupt auf einen Felsen gelagert. Allegorische Randleisten veranschaulichen den Gegen- satz zwischen Mühsal und Genuss. Auf dem zweiten Blatte sehen wir das neu- geborene Kind am Boden liegen, umgeben von grausigen Nachtgestalten, wie Armuth, Trübsal, Hunger, Zwang, Wahnsinn, Krankheit und Tod, die dem Kind ein freudloses Dasein als Pathengeschenk in Aussicht stellen. Es folgt „Im Kehricht der Grosstadt" das Proletarierkind, das in der Vorstadt auf den verwahr- losten Wiesen spielt, im Hintergründe rauchen die Schlote des Fabrikviertels. Sodann ein frierender Junge, der mit seinem Schwesterchen vor den hellerleuch- teten Läden der grosstädtischen Strasse seinen Christbaumschmuck anbietet. Weiter führt uns der Künstler in die Lehmgruben der Ziegeleiarbeiter. Dann sehen wir das emsige Getriebe eines Neubaues; den gesammten Vordergrund nimmt ein vielstärnrniger Baum sammt seinen mächtigen Wurzeln ein, welcher der wach- senden Grosstadt zum Opfer gefallen ist. Es folgen die Schneeschaufler, im Vorder- grunde ein annseliger Alter rnit lrrummem Rücken und wankenden Knien, der die erstarrten Hände reibt; weiter folgt das Brustbild eines stumpfen gleichgiltigen Greises, dann der Tod des in armselige Lumpen gehüllten „Armen Lazarus" draussen hinterm Zaune in der Vorstadt. Eine trostlos melancholische Landschaft symbolisirt das freudlose Leben des Proletariers. Zwei bedeutende allegorische Darstellungen veranschaulichen dann mit eindringlichem Ernst den Gegensatz zwischen den zu ewiger Mühsal Verurtheilten und den sorglos Geniessenden. Hier sehen wir den Lebensweg der Bedrängten in einem langen Zuge nackter und halbnackter Männer, Frauen und Kinder, die, von Geiern zerhackt, theils in stumpfer Ergebung, theils in wiithender Gegenwehr über alle Gefallenen hinweg unaufhaltsam vorwärts drängen. Das zweite Blatt zeigt den Triumphzug des Geldes: den Ausschnitt einer von menschlichen Pfeilern getragenen Brücke, über die singend und tanzend, küssend und jubilirend die fröhliche Welt dahinzieht, hinter ihnen schreitet mit der Knute die stolze machtvolle Gebieterin des Treibens: das Geld. Endlich wohnen wir den Qualen des Reichen in der Hölle bei, der, auf einem Haufen von Goldstücken sitzend und von Schlangen urnringelt, vergeblich von seinen Schätzen ausbietet, um mit einem Tropfen Wassers seine brennende Zunge zu kühlen. Den Gegensatz zu diesen trüben Bildern aber bilden drei Visionen eines künftigen schönen Zeitalters: Freude (fröhlich auf der Wiese spielende Kinder), Freiheit (Mann und Frau mit frohen Geberden auf sonnigem Bühel vom frischen Windhauch umspielt) und Friede