DAS STIFT ST. FLORIAN (11.) sw- VON ALBIN CZERNY so M die Kaiserzimmer zu besuchen, steigen wir wieder die Stiege hinan und treten durch ein herrliches Marmorportal, welches in der Axe des oberen Balkons liegt, in den ersten Raum der für den Kaiser bestimmten Zimmer und Säle. Es ist dies die mit schönem Marmor getäfelte Saletta, von der man auf den oberen Balkon der Westseite treten kann. Ihr entspricht im ersten Stockwerk eine gleiche, welche auf den unteren Balkon geleitet. In jeder empfangen uns, in Nischen gestellt, zwei lebensgrosse weibliche Standbilder aus Stucco lustro von Diego Carlone. Die oberen stellen die Häuslichkeit und Treue der Frau vor, die unteren den Frieden und die Pflege der Wissenschaft. Gleichsam als Gegensatz hängen in der oberen Saletta zwei Tafelbilder von Wenzel Halbax: Kleopatra, wie sie, um sich das kostbarste Getränk zu bereiten, eine unschätzbare Perle darin auflöst; gegenüber: wie die königliche Kokette, um sich zu tödten, eine Schlange an den Busen hält. Ausserdern schmücken die obere Saletta, welche die lange Zimmerreihe des zweiten Stockes in zwei Theile scheidet, nämlich links in die Gemächer der kaiserlichen Familie, rechts in die Zimmer vornehmer Gäste oder Begleiter des Monarchen, zwei köstliche Blumenstücke des Niederländers Nikolaus Bosschaert über den Eingängen. Über dem Portale aber, durch welches wir eingetreten sind, hängt das lebensgrosse Porträt desjenigen, der die herrlichen Räume schuf, Jakob Prandauers. Wir treten in den ersten Wohnraum, die sogenannte „Anti- chambre". Die Wände über den Lambris sind bis zum Gesirnse mit gewirkten, gleichzeitigen Tapeten bedeckt, welche den hier Versam- melten die bekannten süsslichen Schäferscenen zum besten geben. Sie sollen aus Brüssel herstammen. Auch die Möbel, Tische und Stühle sind mit aufgenähten Teppichstücken in Kreuz- und Perlstich auf- geputzt. Diese teppichartigen Stickereien kamen aus Wien; die Möbel selbst wurden nach den Entwürfen von Leonhard Sattler von dem sehr geschickten Tischler Jegg in St. Florian gemacht. Alles aber, was geschnitzt ist, rührt aus der Werkstätte des Tausendkünstlers Sattler, die Vergoldung von dem Meister Müller in St. Florian. Die beiden