ODERNE KAFFEEl-IÄUSER. Es ist Zeit, dass die Nutzkunst wirklich genutzt werde. Den handwerksmässigen „Decorateuren" gegenüber kommt sie zwar noch immer langsam vorwärts. Selbst in Paris ist es noch etwas Auffallendes, wenn eine Brasserie Pousset von Niermans, ein Cafe Voisin von Louis Bigaux oder ein Cafe de Paris gar von Majorelle und Jansen ausgestattet wird. Die Kunstzeitschriften nehmen noch Notiz davon und bilden sie schleunig ab. In Wien ist man vollends zurück. Es fehlt zwar nicht an kostspieligen Einrichtungen in einem, sagen wir, „erhöhten" Kaffeehausstil, wie ihn die Arcaden- häuserzÄra hervorgerufen. Auch gibt es welche, die sich den Anschein geben, „rnodern" zu sein, ja selbst die sattsam bekannte falsche Secession hat sich neuestens des Cafes bemächtigt und verübt da ihre Ungeheuerlichkeiten, die das Publicum dann der echten .Secession in die Schuhe schiebt. Da werden gleich- giltige oder unzweckmässige Constructionen frischweg mit Details von Van de Velde und Ashbee überladen, Fabriksgeräth wird in Curven von Charles Plumet gepresst, Mahagoni-Buffets mit Kleinzeug von Messingappliken im Studio-Stil förmlich besäet. Ja es werden weisse Stuckplafonds in ganz niedrigen Mezzanin- sälen, die doch so flach als möglich gehalten sein sollten, mit kolossalen Wagnefschen und nichtwagnefschen Facadendetails in drohend starker Profilirung beklebt. Angesichts solchen Missverstandes der stets gesinnungslosen Eklektiker ist es erfreulich, wenn einmal eine gesundere Note angeschlagen wird. Auch in der Einrichtung eines Kaffeehauses soll persönliche Überzeugung und sachgemässe Empfindung sein. In dieser Hinsicht ist das Cafe Museum (Wien, 1., Ecke Operngasse und Friedrichstrasse) hervorzuheben. Es ist von Adolf Loos eingerichtet, einem jungen Architekten. der in Amerika modern gearbeitet und dann in Wien Kunsthandwerkliches modern geschrieben hat. Sein Streben ist die Zweckrnässigkeit und Einfachheit, aus denen sich bei tadellosem Handwerk von selbst eine technische Eleganz ergibt. „Die Schönheit eines Bicycles" schwebt ihm als Ideal vor. In der That ist im Cafe Museum alles Ornament vermieden; was zweckmässig ist, muss ja ebenfalls, ganz von selbst, schön sein. Loos ist auch nichts weniger als Secessionist im Sinne der Wiener Secession, er will amerika- nischer Culturmensch sein. Das ganze Local hat englische Velourstapeten in mattem Grün, das mit löschpapierartigem Korn wirkt; die Decke ist durchaus weiss, in waschbarer Ölfarbe, ohne das geringste Ornament. Lambris und grosse Standmöbel (Gasse, Billards) sind dunkles Mahagoni mit einzelnen eingelegten, gelblichweissen Buchslinien („Adern"). Sämmtliche Kanten sind mittelst eines eingeschalteten Viertelstabes abgerundet. Die Casse und eine grosse Abtheilungs- wand sind in Spiegel aufgelöst, um noch von ihrer Schwere zu verlieren; Hauptgesimse und dergleichen gibt es nicht; auch ist die Casse abgerundet, um recht umgehbar zu sein. Die erwähnte Spiegelwand schliesst oben originell mit einer Reihe alter englischer Sportstiche in entsprechenden Mahagonirahmen ab, die an einem Messingstab frei in der Luft hängend, wie eine Fortsetzung der Wandiiäche erscheinen. Polirtes Messing spielt eine grosse Rolle, aber auch nicht als Ornament, sondern im Sinne des Gebrauches. Sämmtliche Wände sind unten und oben, um das ganze Local herum, mit Messing eingefasst. Auch die Füsse der (vorzüglich construftiven) Billards haben Messingschuhe und die Fiisse sämmtlicher Tische sind zum Schutz gegen die Stiefel mit Messing beschlagen. Oberhalb der Wandiiäche ziehen messingene Gasröhren sichtbar um das ganze Local und dienen zugleich als Bestandtheile der fortlaufenden Hut-