123 Die Medaille wendet sich nur an Verständige, an einen heute noch intimen Kreis von Kennern intimer Kunstwirkungen; schon der Umstand, dass zwei nicht gleichzeitig, ihre Meinung austauschend oder aufdrängend, ein solches Werk betrachten können, das man in die Hand und meist dicht vors Auge nehmen muss, um einzudringen in dasselbe, schliesst die weite Öffentlich- keit aus. Die Medaillenkunst hat etwas Aristokratisches; demokratisixt könnte sie nur werden. wenn überall, wie in Frankreich, auch die Münze kunstvolle Gestaltung erhielte und so zu Jedem, auch dem Ärmsten eine eindringliche Sprache überzeugender Kunst- gesinnung sprechen würde. Die Führung ist bei den Franzosen. Dort herrscht der regste Eifer, das weiteste Verständnis, die grösste viel- seitigste Meisterschaft, die äl- teste, beste Tradition. Die Entwicklung der modernen französischen Plastik aus dem CIaSSiCiSTIIUS dllfCh - Rßmantik Peter Breithut, Relief in Silber, Gold und Nephrit und Historismus ist auch die Entwicklung der modernen französischen Medaille. Die Achtung vor der Tradition in Verbindung mit stets lebendiger Fortentwicklung derselben und frischer, freudiger Aufnahme alles guten Neuen, das ist das Geheimnis der steten unverwelklichen Blüte der französischen Kunst überhaupt. Dieser sprühende, sprudelnde, unberechenbare, oft so extravagante und revolutionäre Volksgeist, in der Kunst hat er einen stark conservativen Zug, jenen Conser- vatismus, den Tradition und Kunstgefühl bedingt und doch auch wieder vor Erstarrung und Versumpfung bewahrt. Die moderne französische Medaille leitet ihren Ursprung nicht von dem Realismus des Pierre Jean David von Angers, sondern von dem typischen Classicismus eines Andrieu und Denon her, welche die Medaille des Napoleonischen Zeitalters schufen. Das scharf umrissene und doch weiche Porträt, wie die sinnvolle, poesiereiche Allegorie in classischen edlen Formen zeigt sich schon dort. Die hohe Kunst wies die weiteren Wege. Wer könnte der Bosio, Pradier, Cortot, Lemaire