231 wirkliches Talent haben. Talent ist nämlich in Wien zu jeder Kunst vorhanden, wenn auch das musikalische das seit jeher traditionelle ist. Um bildende Kunst kümmerte man sich nie viel, sie drang nicht ins Volk und so hielt man sich für unkünstlerisch, während Jakob Gruber, Verschüttete Bexgknappen sich die meisten Wiener von vornherein für musikalisch halten, schon weil sie Wiener sind. Das scheint nun anders werden zu wollen. Diese bescheidene Gesellschaft hat unter Leitung von Künstlern wie l-Ilavacek, Schulmeister, Darnaut, Kajetan und Anderen seit ihrem Gründungsjahre 1887 grosse Fortschritte gemacht. Im Winter zeichnet man ileissig Studien nach Naturgegenständen und im Sommer setzt man sich frisch vor die lebendige Natur. Ursprünglich will man wohl nur etwas skizziren lernen, aber mit der Zeit wird mehr daraus. Es stellt sich wirkliches Naturverständnis ein und mitunter sogar Persönlichkeit in Auffassung und Technik. Stiiiers erstaunlich gewandte Bleistift- zeichnungen und sein farbenkräftiges Aquarell eines Alpenglühens sind gewiss Dinge, die nicht bald ein Dilettant macht. Die feinen, auf Grau getönten Donaubilder von Karl Weiss, der aber auch einer sonnenwarmen Minoritenkirche in ihrer ganzen Farbigkeit gerecht wird, dann die zierlichen Architekturen von Johann Karger, die leicht hingewaschenen Bach- und Hügellandschaften von G. Jülke, der dann wieder im Kaprunerthale kräftigere Töne einschlägt, die bunte Zierlichkeit Puchingers in seinem Trebinje-Bildchen, die verschiedenen Jahreszeiten und Witterungen von Gallois, die reichen Berglandschaften von Gandu u. s. w. zeigen eine Mannigfaltigkeit der Art und Weise, dass man deutlich sieht, wie jeder Einzelne im Arbeiten vor der Natur erst ein Individuum wird. Solcher Dilettantismus ist unbedingt willkommen zu heissen, weil er eine Art nächstes Hinterland der Künstlerschaft bildet und der natürliche Vermittler zwischen ihr und den Massen ist. Er ist auf dem Gebiete der bildenden Kunst, was in der 32k