103 gleichsam. Es gibt ja solche moderne Ornemanisten, wie Guimard, der die geistreiche Horta'sche Formabstraction noch übertreibt. Olbrich ist kein Pedant, kein Grundsatzreiter, der sich ein für allemal die Welt mit Brettern verschlägt. Er ist österreichisches Blut und gesteht den Sinnen mehr Naturfrohheit zu, als manche Moderne in trockeneren Ländern. Äpfel und Rosen, aber auch andere Vegetabilien, sind im Hause mannigfach als Zierwerk verwendet, auch als farbiger Fries in der Stube des Hausherrn, dann als breite, bunte Guirlanden oder vereinzelte Vignetten in Flachschnitzerei an Schränken und Betten. Der Grad der Stilisirung ist nicht immer gleich hoch. Einmal, in der einen Kinderstube, umfasst der Künstler das ganze Fenster mit einem Apfel- baum, den er flach aus pitch-pine ausschneidet und mit allen Zweigen und Laubbüscheln als Rahmen um die Öffnung herwachsen lässt. Ein andermal schaltet er einen breiten Kasten zwischen die beiden Hälften eines bunten Apfel- baumes ein. Wobei übrigens zu bemerken, dass er trotzdem immer constructiv bleibt. Er schrickt sogar vor landschaftlichen Darstellun- gen nicht zurück. In jenem Kinderzimmer sind alle vier Wände mit einer durchlaufenden, gar gemüthlichen Landschaft (von Friedrich König) bemalt, in breiten hellen Tonflächen, fast ohne Detail, aber doch mit Illusion genug für die kindlichen Auffassungen. Da sieht man den Hirten mit seiner Heerde gehen, in der auch das berüchtigte schwarze Schaf nicht fehlt, und die Bäuerin mit dem Heubündel kommt den Pfad entlang, und Mädchen in weissen Kleidern begiessen den Rosen- busch oder haschen den Schmetterling, und die Windmühle strengt sich an, ihre Flügel zu drehen. Der Künstler hat nicht das Herz, Kindern, die schon den Genuss des Bilderbuches kennen, das Bild an der Wand zu versagen, wo es bei Regenwetter so wohl thut. Und im Schlafzimmer ist ebenso, nur noch naturgetreuer, ein ganzerBirkenwald um alle vier Wände gemalt (von Adolf Böhm), leicht und luftig, mit silberweissen Stämmen und hellgrünem Laub, durch das ein hellblauer Himmel voll weisser Wolkenstreifen weht. Als Sockel dient ihm ein grüner Wiesenstreif, aus dem sich bunte Blumenköpfe heben. Am Villa Friedmann, Seitenlaterne an der Freitreppe