DAS WERK GIOVANNI SEGANTINISt ED S41- RM, bettelarm fühlt man sich an manchem Tage. Und es geschieht Einem, dass man an Glanz und Wärme der Sonne nicht mehr glauben will und tiefe Traurigkeit die Augen verschleiert. Lange will es dann nicht mehr hell werden um uns, in uns. Solche düstere Schmerzensstimmung senkt sich über Kunstfreunde an Tagen, wie jener war im September, als Giovanni Segantini starb. Nicht allzuviele mögen getrauert haben bei der Kunde, dass der Meister gestorben ist. Aber die Wenigen waren in tiefster Seele ergriffen. Sie fühlten ja, dass ein Mann aus unserer Mitte gegangen ist, der dem Besten unserer Seele nahestand, der Sehnsucht nach reiner Schönheit. Wir Österreicher durften uns stets Giovanni Segantinis als eines Landsmannes freuen. Er ist in seiner Kunst und seinem Leben auch stets „nationa " geblieben, in dem edelsten und treuesten Sinne dieses Wortes. Niemals hat ihn die Sehnsucht getrieben, ein „Europäer" der Kunst zu werden. Seine Welt der Sonne und des klaren Lichtes, die Alpen, hat er innig geliebt; sie ist der Inhalt geworden seines Lebens, seiner Kunst. Ihr dankt er alle Schönheit und Freude, die in seinem Leben war, und seine Werke sind der Lohn, den er der Mutter Erde reichlich für ihre Gaben erstattet. Zu Arco ist Giovanni Segantini geboren (1858), in jenem süd- lichsten Theile der Monarchie, wo die wanne Sonne am längsten scheint und dem Grün der Wälder weiche, sanfte Töne von vieler Zartheit verleiht. Der Mutter Herkunft war edel, der Vater Bauer. Dem zarten Kinde starb die Mutter, und oft kehrt in den Schriften des Malers Segantini die Erinnerung an die zarte Frau wieder. Gerade er, dem die sanfte Hand der mütterlichen Erziehung gefehlt hat, ist im Mannesalter von dem Gefühle der tiefsten Ehrfurcht vor der Mutterschaft durchdrungen gewesen. Oft hat er sie gemalt, die guten und die bösen Mütter, und diese Bilder waren dann kräftig und stark im Ausdruck, segenspendend den braven, sorgenden Müttern, fluchend den vergesslichen, verworfenen. ß Es wurden zu dieser Darstellung benützt unter anderem die drei Brochuren G. Segantinis: „Über die Kunst", theilweise in der Übersetzung Clara Theumanns (Ver. sacr. 11., Nr. 5), llndW.Rittels Monographie „G. S." in den „Graphischen Künsten". Das lllustrationsmaterial ist dem Verfasser noch bei Lebzeiten von G. S. überlassen worden. 49