KUNSTGESCHICHTE UND NATIONALÖKO- NOMIE S0 VON THEODOR VOLBEHR- MAGDEBURGSIP IE Kunst des XVI. Jahrhunderts! Wie voll das Wort klingt, Bewunderung, wohl gar Anbetung von jedem Kunstfreunde heischend. Wie ganz anders wirkt der Wortklang auf uns, wenn wir hören: Die Kunst des XIX. Jahrhunderts! Dort spricht die Ruhe und Grösse einer sicheren Majestät zu uns, hier die Unruhe und redselige Hast eines vielköpfigen Parlaments. Und wir fühlen mit einem leisen Bedauern den Gegensatz des XVI. und XIX. Jahrhunderts. Und dennoch behauptet die Geschichts- schreibung der Volkswirtschaft, dass es kein Jahrhundert gegeben habe, das dem XIX. näher verwandt gewesen wäre als eben das XVI. Jahrhundert. Der Nationalökonom Martin sagt geradezu: „Eine rapide Bevölkerungszunahme, eine enorme Vermehrung des Edelmetallgeldes, Fortschritte der Technik und Wirtschaft, ein Anwachsen des Grosscapitals, der Einfluss fremder Erdtheile auf die europäische Volkswirtschaft, Erschütterungen in der Wirt- schaft, eine grossartige Preis- revolution, vielfache Arbeitslosig- keit, sociale Gährungen und so- cialistische Aufreizungen, eine relativ schnelle Zunahme der all- gemeinen Bildung und Aufklä- rung sind die gemeinsame Signa- tur beider Jahrhunderte." Man wird gegen diese Be- hauptung kaum etwas einwenden können. Nun ist es aber ein cul- turhistorischer Glaubenssatz - und das seit ungefähr 150 Jahren - dass die Kunst einer Zeit im allerengsten Zusammenhange mit dem geistigen und materiellen Leben dieser selben Zeit steht, dass die Kunst geradezu das Pro- duct der socialen Verhältnisse