257 JOHANN JOACHIM KÄNDLER UND SEINE CABINETSTUCKE DER MEISSNER POR- ZELLANMANUFACTUR SV VON EDMUND WILHELM BRAUN-TROPPAU S0 Sist noch gar nicht lange her, dass unsere Wissenschaft begonnen hat, sich ernsthaft und systematisch mit der Entwicklung der Porzellan- kunst des XVIII. Jahrhunderts zu beschäftigen. Die Litteratur über diese Studien ist noch eine kleine im Verhältnisse zur eminenten Wichtigkeit, die den Porzellanen für die Kunst und Cultur des XVIII. Jahrhunderts beizumessen ist. Und gerade über die Mutter aller Fabriken, die Meissner Manufactur, fehlt uns, auch nach dem Erscheinen des sehr viel Neues fördernden Werkes von Berling, immer noch die richtige zusammenfassende Arbeit, die in Allem der historischen Entwicklung gerecht wird. Einen Theil dieser Lücke Füllt das Werk von Jean Louis Sponsel: über Kändler aus, dessen reiche Ergebnisse meinem Aufsatze zugrunde liegen. Schwierige, ungebahnte Wege musste Sponsel wandern, um sein Werk zu fördern. Nur wer selbst einmal in Urkundenstudien sich versenkt hat, wie sie in langer Reihe der Sponsel'schen Darstellung zugrunde liegen, vermag das Mass wissenschaftlicher Geduld und Hingabe zu würdigen, denen sich Sponsel bei seinen Quellenstudien unterziehen musste. Und sein Kändler sowohl, als sein früheres Werk über die Dresdner Frauenkirche beweisen, mit welcher Gewissenhaftigkeit er gearbeitet hat, unter Berücksichtigung jedes einzelnen Momentes. Nur dadurch konnte einmal die nothwendige positive Grundlage für eine genauere Kenntnis der Manufactur geschaffen werden. Knapp liegt die Zeit hinter uns, in der die Kunsthistoriker älterer Ordnung die Barockkunst, noch mehr das Rococo, mit wenig Liebe betrach- teten. Und nun gar die „grossügurige" Porzellanplastik vervehmten sie als „stilwidrig". Springer war es wohl, der einmal irgendwo sagte, lebens- grosse Porzellanbüsten sähen aus wie Caricaturen. Und unter dieser früher allgemein und auch jetzt noch ab und zu getheilten Meinung musste die richtige Beurtheilung Johann Joachim Kändlers naturgemäss ausser- ordentlich leiden. Denn die am meisten ins Auge fallenden Arbeiten Kändlers, seine Thierfiguren, sein Reitermonument und anderes gehen ja in der Grösse weit über den Massstab der sonstigen Porzellanplastik hinaus. Sie sind es auch, die Sponsel diesmal herausgegriffen hat, die „Cabinet- Stücke". Es ist ja noch so viel unbearbeiteter Boden, gerade die Kunst- x Cabinetstücke der Meissner Porzellanmanufactur von Johann Joachim Käncller. Mix zahlreichen Beilagen und Textbildern. Leipzig, Hermann Seemanns Nachfolger, xgoo, 4", 230 S. 35