es über sich vermag, die Formen der Dinge zu vergessen, um in den Schein ihres Colorismus unterzutauchen und sogar gegen die Form zu malen, nur der inneren Entwicklung der Farbe nach. Seine Farbe ist decorativer geworden als diejenige Böcklins, der H ebenso aus der Tradition wie er - versucht hat, die romantische Landschaft voller Haine und Paläste durch Localisirung der Farben poetisch zu erhöhen. Was Böcklin an Erfindungs- kraft vor Turner voraus hat, das ist diesem an Freiheit der coloristischen Empfindung als Vorzug verliehen. Tumers Aquarelle und seine letzten Ölbilder sind gänzlich aus dem decorativen Gefühl empfunden, das heute den Klang der Farben für den Klang der Formen eingesetzt hat. Ob seine Paläste Dächer und seine Bäume Blätter haben, ist so gleichgiltig, wie das Roth und Blau der Renaissance-Madonnen. Aber das Gold seiner Säulen und das Roth seiner Wolken ist von derselben Wichtigkeit, wie die Gruppirung einer Lionarddschen „Heiligen Familie". Man könnte das decorative Princip der Farbe beinahe als das moderne bürgerliche Princip bezeichnen. Denn es ist durch die Bürgercultur, in den Zimmern einfacher Wohnungen zuerst ausgebildet worden. Wie im Bau, wie im Gesellschaftsleben sind die Einwirkungen der Renaissance nicht plötzlich abgeschnitten worden, sondern führten vielfache Übergänge und Reactionen herbei. Das Porträt, als reines Zimmerbild, entwickelt zuerst den farblichen Zusammenklang. Moroni und Tizian wissen die Wirkung abzu- schätzen, die ein feines Bildnis an der Wand ausübt. Die Niederländer wissen es noch besser. Sie studiren die Menschen unmittelbar als kostbare Farbenharrnonien vor einem tonigen Hintergrund und bilden eine Kunst- gattung aus, die aus der Harmonie menschlicher Köpfe mit der einfarbigen Wand besteht. Ihre Genrescenen und Landschaften richten sich nicht mehr nach Gesetzen der Formalistik, wenn sie auch, wie man es bei Ruysdael studiren kann, noch lange nicht die Forderung einer wohlüberlegten Composition aufgeben. Die Farbe dämmert in ihren Bildern, wir können sie herausschälen, wie schon bei den Figuren des Meisters vom Flemalle-Altar, aber sie ist nicht Alleinherrscherin. Es ist nur der allgemeine wohlthuende Farbenaccord, der aus ihren Bildern klingt, die Bilder selbst sind ihnen noch eine gewisse Kostbarkeit im Sinne der Renaissance, die, wie man weiss, häufig von einem Vorhang verdeckt waren. Sie lieben die Wirklichkeit noch zu kindlich, um dem neuen ordnenden Princip ganz freie Bahn zu lassen. Sie sammeln die Motive erst. Sie sehen die Wirkung der Sonnenuntergänge, das Spiel der Baumschatten, die dunklen Vordergründe und das Licht in der Ferne, den Tanz der Sonnenstrahlen durch Thore und Höfe, die Symphonie des buschigen Grüns, die Schönheit des hohen Himmels und die Farbenflüsse auf den Wegen, aber sie setzen es oft noch ängstlich wie Mosaik zusammen, indem sie einer modernen Zeit es über- lassen, aus einem einzigen dieser Motive den ganzen Farbenklang eines Bildes zu entwickeln. Die Bäume Potters finden erst ihre Erlösung in der wunderbaren Erfindung Corots, das Gelaub als ein wirbelndes Spiel