1T] EIN MODERNES TEELOKAL F0 VON P. G. KONODY-LONDON He IE künstlerische Ausstattung und das ganze Wesen öffentlicher Lokale (Restaurants, Trinkstuben etc.) bilden unzweifelhaft einen Spiegel des Charakters, der Lebensart und des Geschmackes der Bewohner einer Stadt. Wenn das Spiegel- bild auch manchmal verzerrt und übertrieben ist, so ist es nichtsdestoweniger höchst lehrreich für den Fremden, der auf kürzestem Wege einen Einblick in den National- und Lokalcharakter der betreffenden Stadt gewinnen will. Was könnte zum Beispiel für die etwas blas- phemische Ausgelassenheit, die Leichtlebigkeit und den eingefleischten Kunstsinn des Parisers bezeichnender sein, als die Cabarets auf Mont- rnartre: „Le Chat noir", „Bruant", „Ciel", „Enfer", „Neant", und wie sie sonst heissen mögen? Was für den Materialismus des modernen italienischen Spiessbürgers, als die Geschmacklosigkeit der Ausstattung seiner Esslokale, deren Dekoration hauptsächlich in der Schaustellung aller möglichen Nahrungsmittel und Gerichte - roh oder zubereitet - besteht? Sogar die Spiegelverkleidung der Wände scheint da nur den Zweck zu haben, das Buffet im Reflex von allen Seiten sichtbar zu machen. Des Deutschen etwas romantisch angehauchte Naturliebe und seine bürgerliche Behäbigkeit lässt sich aus einem Besuche der so charakteristischen Biergärten schliessen. Die abscheulich hässlichen und unbequemen „Public Houses" der unteren Volksschichten Englands, Lokale, wo man in vergifteter Luft, stehend oder auf lehnlosen Stühlen hockend, eine möglichst grosse Quantität von Spirituosen in möglichst kurzer Zeit konsumiert, weisen auf die Roheit und Hast dieser Volksschichte hin. Dagegen kann nichts für den verfeinerten Geschmack und den vornehmen Komfort der „Upper Ten Thousand" und des besseren Mittelstandes bezeichnender sein, als die sich rasch ver- mehrenden eleganten Teelokale in Bond Street, dem Zentrum der Lebe- welt Londons, wo in Juwelierläden, Kunstgalerien u. s. w. Schätze auf- gestapelt sind, welche auf die Repräsentanten des Geschmackes und Reich- tumes von London mit magnetischer Anziehungskraft wirken. Unter diesen Teelokalen gibt es eine „Galerie des Ostens", von Japanern geleitet, in bestem japanischen Stil dekoriert und mit japanischem Bedienungspersonal in Nationalkostüm; sehr originell sind auch die „Rouge et NoiW-Teezimmer, so bezeichnet, da sie durchwegs in einem Farben- plane von Rot und Schwarz ausgestattet sind; und schliesslich die „Alt- Eichen-Teeräume", in modernem Stile von Liberty 8: Co. ausgeführt, welche den Gegenstand dieser Besprechung bilden. Die „Old Oak Tea Rooms" sind in den drei oberen Stockwerken eines alten Hauses in Bond 2A