-7- Aufschwung. Aber schon die Zeit der Kreuzzüge bedeutet für die byzantinische Kunst die Periode des Verfalles; mit der Eroberung Konstantino- pels durch die Türken (1453) ist der byzantinischen Kunst völlig der heimische Boden entrissen. Aus jener Renais- sancezeit der byzantini- schen Miniaturmalerei, die wir etwa in das X. bis XII. Jahrhundert setzen dürfen, hat sich eine stattliche An- zahl merkwürdiger und für die Bücherillustration auf- schlussreicher Denkmäler erhalten. Was zunächst auffällt, ist der Umstand, dass die Initiale lange nicht jene Be- deutung besitzt, die sie in den okzidentalen Schulen innehat. Einfache Mittel, eine Umrisszeichnung, manch- mal ein massiver, grösserer Buchstabe, kennzeichnen den Abschnittsanfang. Daneben finden wir Initialen, die verschlungen aus Bildern lebender Wesen _ Menschen und Tiere - zusammengesetzt sind (so ein ll aus zwei stehenden Männern); immer sind bescheidene Proportionen eingehalten, das mächtige Übergreifen der Initiale auf den Rand und deren Ausgestaltung zur Leiste fehlt. Einen charakteristischen Ersatz hiefür bietet die reichoma- mentierte Kopfleiste vor den Textabschnitten; sie ist meist oblong, in der Mitte oder rahmenförmig nach unten zur Aufnahme des Titels geöffnet. Man könnte diese Kopfstücke Initialornamente nennen, weil sie gar häufig in räumlichem, auch in stilistischem Zusammenhange mit dem Anfangsbuch- staben stehen. Die für die byzantinische Schule charakteristische Gold- behandlung feiert hier Triumphe. Aber auch die farbige Ornamentierung, wiederholt in Medaillonform, sucht an zarter Zeichnung und Farbenabtönung ihresgleichen. Zweifellos waren byzantinische Goldzellenemails hier hervor- ragende Vorbilder. (Proben aus den Evangeliaren des X. und XI. Jahrhun- derts, theol. gr. 240 und 154.) Kein Wunder, dass gelehrige Schüler der Byzantiner sich diese Vorbilder, wie wir noch sehen werden, zu eigen machten. Ausser diesen charakteristischen Initialornamenten gelangten andere Text- oder Kolumnenaufsätze zu hoher Entwicklung, für die gleichfalls die Wiener Handschriften bemerkenswerte Belege bieten. So beispielsweise die Evangeliar (Theol. gr. x54)