286 Symbolischen, das in die frühmittelalter- liche Miniatur hinein- gelegt ist, und von dem wir üppige Vor- räte gerade in fran- zösischenBilderhand- schriften aufgespei- chert sehen, entspre- chend zu würdigen. Man hat diese früh- mittelalterliche Peri- ode der Miniatur- malerei nicht unzu- treffend die hieratische genannt. Ihre Geltung erstreckt sich durch- aus nicht allein auf die französischen Schulen, sondem auf alle Schreibstätten des Abendlandes. Der bedeutsame Übergang zurzweiten grossen Periode der mittelalterlichen Miniaturmalerei ist j e- doch in seinen ersten Symptomen beson- ders deutlich auf französischem Boden bemerkbar und fällt dort etwa in die Regierungszeit Ludwig des Heiligen. Was früher Sondergut der Geistlichkeit war, gewinnt nun breiteren Boden; auch der Bürger lernt lesen, ja selbst schreiben, und der Schritt zur Säkularisierung des früher ganz geistlichen Scriptoriums ist gethan. Laien beschäftigen sich mit Kalligraphie und Mal- kunst, die, durch der Herrscher und der Grossen Gunst gefördert, rasch auf- blühen und solch weltlicher Gönnerschaft durch Prachtwerke der Kleinkunst danken, die der profanen Literatur angehören. Wir erhalten Werke der Miniaturmalerei, die sich nicht mehr exklusiv an die Geistlichkeit mit biblischen Vorwürfen, Mystik und Symbolismus, sondern an einen viel grösseren Kreis von Schaulustigen wenden. Neue Vorwürfe und Vorstellungen erheischen Behandlung, für die der seit Jahrhunderten gesammelte Vorrat von Vor- bildern nicht mehr ausreicht; die Maler werden zu selbständigem Erfinden angeregt und hiedurch veranlasst, zu dem unerschöpflichen, so lange Zeit vernachlässigten Vorbild zurückzugeben - zur Natur. Man hat daher Bible historiee (cod. 2554)