259 Da jedes der 131 Blätter der Handschrift acht Medaillons enthält, so ergibt sich eine Zahl von mehr als tausend Darstellungen, Bibel- bildern und Allegorien, in denen Originalität der gegenständlichen Auf- fassung mit Feinheit der bildlichen Wieder- gabe wetteifert - eine Riesensumme gedank- licher und künstleri- scher Arbeit, gegenüber welcher die Schildereien der hier einzig zum Ver- gleich heranziehbaren Arrnenbibeln völlig ver- blassen. Unser Staunen wächst, wenn wir erwägen, dass ausser dieser französischen Bilderbibel in der Hofbibliothek eine vollkommen gleich ausgestattete Handschrift (cod. 117g) mit lateinischem erklärenden Text, zweifellos auch aus Frank- reich stammend, aufbewahrt wird, die uns auf zweihundertsechsundvierzig Blättern je acht Medaillons, also etwa zweitausend Bilder bietet; auch in den Bibliotheken von Paris, Oxford und London finden sich Teile solcher den Wiener Exemplaren ähnlicher Bibles historiees, die, wie die unsrige, dem XIII. Jahrhundert entstammen. Von anderen in gleicher Weise aus- gestatteten Exemplaren geben ältere Handschriftenverzeichnisse Kunde." Wir stehen vor Erzeugnissen des mittelalterlichen Kunstgewerbes auf unserem Gebiet. Man war eben bemüht, die Riesensumme theologisch- symbolisch-allegorischer Arbeit. die in diesen Bilderbibeln einmal nieder- gelegt war, so oft als möglich zu verwerten. Dass sie von einem einzelnen geleistet wurde, ist ganz undenkbar; man hat gewiss an künstlerische Traditionen angeknüpft; die Wege derselben sind aber noch nicht aufgehellt. Der einzige, der unseres Wissens dem Gegenständlichen unserer Bilder- bibel nahetrat (G. Heider, „Mitteilungen der Zentralkommission" III, 1858, 313), bemerkt zutreffend, dass die beiden erwähnten Wiener Handschriften „für mittelalterliche Ikonologie, Typologie, Kostümkunde in dem kaum zu bewältigenden Reichtum ihrer Darstellung eine höchst schätzbare Fundgrube bilden". Zur näheren Begründung dieser Behauptung gebricht es hier ebenso an Raum, wie zur Diskussion über einen Punkt, auf den bereits der erste, der die Wiener Handschrift beschrieben, Michael Denis (Codices manuscripti " Delisle, Leopold: „Livres dimages", Histoire litteraire de la France XXXI, 2x3 ff. Raol de Hodenc: Märaugis (cod. 259g)