"tqv architektur ergänzte das unerfreuliche Bild, das damals die ungarische Sektion bot. Seitdem sind noch nicht zwei Jahre verffossen und Ungarn ringt dem skeptischesten Besucher der Turiner Ausstellung aufrichtige Anerkennung ab. Den grossen Saal, der die ungarische Exposition birgt, hat der Architekt P. I-Iorti im Verein mit den Malern M. Roth und R. Scholz in aussergewöhnlich vornehmer, bei allem Reich- tum diskreter Weise ausgestattet; in den bordürenartigen Malereien der Wände, den Mosaiken und Verglasungen des grossen festlichen Portals, das den Mittelpunkt der ganzen Installation bildet, sind heimische Ornamen- tationsprinzipien aufs glücklichste mit modernen Ideen verschmolzen. Die Farbenstimmung des Raumes, die sich zwischen Blau und Violett bewegt, ist originell, ohne gesucht, zart, ohne schwächlich zu sein. Von den ausgestellten Interieurs zeigen wohl noch manche Reminiszenzen an die frühere verfehlte Richtung; die Mehrzahl aber bezeugt, dass der peinliche Gegensatz zwischen Form und Ornament, der in Paris so sehr gestört hat, überbrückt worden ist: die Formen sind individueller geworden, das Ornament organischer. Sehr hübsch sind namentlich die einfachen Speisezimmermöbel aus grüngebeiztem Holz mit Eisenbeschlägen und bescheidenen Polychromierungen, die E. Wiegand in Anlehnung an ungarisches Bauemmobiliar geschaffen hat. Derartige verständnisvolle Anknüpfungen scheinen mir für die gedeihliche volkstümliche Ausgestaltung der Moderne von ganz besonderem Wert zu sein. Im Bauernmobiliar besitzt ja das Kunsthandwerk jeden Landes sozusagen ein volksgeschmackliches Archiv mit unversiegbar reichen Quellen stets neuer und doch immer mit der historischen Entwicklung in nächster Ver- bindung stehender Anregungen. Freilich erfordert ihre richtige Nutzung viel künstlerischen Takt, da Äusserlichkeit und Maskeradenhaftigkeit gerade hier besonders naheliegen. Auf dem Gebiet der Keramik führt Zsolnay ein neues Genre vor -Vasen in wuchtigen, gut handwerklichen Formen mit ultramarinblauen Laufglasuren auf weissem Grund und diskreten Metallrefiexen. Flott bemalte Bauern- töpfereien hat J. Petridesz ausgestellt. Unter den Textilsachen fallen die Samtbrandmalereien der Frau Mirkowsky-Greguss auf. Im Email stehen Rappaport 8: Co. mit ihren durcheinanderfliessenden bunten Schmelzen und ihren famosen markigen Formen ganz einzig da. Die ungarische Sektion hat für die Turiner Ausstellung eine doppelte erfreuliche Bedeutung: einmal beweist sie dem italienischen Kunstgewerbe, das heute vielfach auf demselben Niveau steht wie Ungarn zur Zeit der Pariser Weltausstellung, dass energisches Lernenwollen in kurzer Frist zu schönen Zielen führen kann; dann aber bezeugt sie, von welch tiefeingreifen- den wohltätigen Wirkungen der Geschmacksaustausch gefolgt ist, den inter- nationale Ausstellungen notwendig mit sich bringen; dieser günstigen Konse- quenzen wird sicherlich auch die Erste Internationale Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin nicht entbehren.