428 DIE BAUERNSTUBE DER NORDEIFEL 3-0 VON ANTON KISA-GODESBERG Sie EIT einiger Zeit steht die „Volkskunst" im Vorder- grunde des Interesses. Das Kunstgewerbe hatte durch Jahrzehnte fast ausschliesslich für die oberen Zehntausend gearbeitet und die Bedürfnisse der weniger mit Glücksgütern gesegneten Volksschichten igno- riert. Die Vorbilder, welche ihm die Museen in allen Stilarten lieferten, waren meist Palästen, Kirchen, reichen Klöstern entnommene Prunk- stücke und selten nur zu praktischem Gebrauche bestimmt. Es fehlte demnach in der Periode der Imitation an geeigneten Mustern für einfache, verwendbare Gegenstände und da man sie schliesslich doch schaffen musste, verfiel man auf die äusserliche Nachbildung von Zierstücken in billigem Material und unsolider Technik, wobei man aber möglichst viel Zierat beibehielt. Man nannte das „stilvoll". Die neue Richtung hat das Kunstgewerbe von den historischen Formen befreit und das Verständnis für die Einfachheit wieder geweckt. Indern es auf den Schnörkel verzichtet, kann es 4 wenn es darauf ankommt _ auch billig und solid arbeiten und alle Stände des Volkes an seiner Adelung des Lebens teilnehmen lassen. Indem es so den Kreis seiner Wirksamkeit ausdehnt, greift es auf die Erzeugnisse alteingesessener Volkskunst zurück, die früher in ihrer Be- scheidenheit und Anspruchslosigkeit nicht als museumsfähig gegolten hatten, die der Sammler links liegen liess und nur der Kulturhistoriker seiner Auf- merksamkeit würdigte. Sie gelten nicht als Muster im früheren Sinne, man sucht sie nicht bis zur Täuschung treu nachzuahmen. Aber man findet in ihrer Urwüchsigkeit so viel Anregung zu neuen Ideen und so viel vortreff- liche Ansätze, dass sie sich als das beste Mittel erweisen, das Alte mit dem Neuen zu verknüpfen. Man überschlägt die Jahrzehnte der Altertümelei, in welchen der Schreinermeister mit der Rechten den Hobel führte und mit der Linken das Handbuch der Stillehre hielt und sucht die Fäden der Ent- Wicklung dort wieder zu erhaschen, wo sie zerrissen worden sind, in der Kunst des Volkes und seines konservativsten Bestandteiles, der Bauern. Nachdem die Museen schon früher die Töpfereien, Stickereien und andere textile Arbeiten der Bauern gesammelt und dem Studium der mo- dernen Industrie zugänglich gemacht hatten, suchen sie jetzt den gesamten Hausrat in seiner ursprünglichen, historischen Anordnung zu konservieren, soweit er sich als Eigenart von andern unterscheidet und soweit er eben noch zu konservieren ist. Und das ist in Deutschland - im Gegensatze zu Österreich - nur noch in wenigen Gegenden der Fall, zumeist nur dort, wo sich auch noch die alten Volkstrachten erhalten haben und Respekt