355 Tartarendorf Murzutf und den Palast des Tartarenchan in Baktchissarai aufs Papier. Und diese Handschrift ist immer von einer so zierlichen Akkuratesse, wie mit der Feder eines Miniaturisten gemalt; an alte Stammbuchblätter denkt man bis- weilen. Alts feinste Kunst aber genießt man, wenn man seine nachgefühlten Architekturzeichnungen betrachtet. Das ist eine Kunst voll erlesenen Filigranreizes, wie er gotisches Maßwerk in spinneweb- feinen Zügen aufleben läßt, gleich Spitzen- mustern wirkt es. Wie Menzel liebt Alt die Juwelenphantasie der Barockkirchen und strichelt mit minutiösem Stift ihre Ornamentik nach. Wie gestochen liegt das da und seine italienischen Palast- fassaden haben oft das Aussehen gravier- ter Elfenbeinplatten. Stofflich ein Gegenstück zu diesen Stadtinterieuren und zu der Stimmung Alt-Wien bildet die Sonderausstellung Alt- Berlin des Professors Jakob. Er hält die breiten Treppen und die geräumigen Flure und die engen winkligen Gassen der ältesten Teile Berlins treu- fleißig fest. Kulturdokumente, oft von heimlichem Fontaneschen Reiz, sind diese Treppenhäuser von der Poststraße und dem Mühlendamm mit ihren weit ge- schwungenen Stiegenführungen, den schmiedeeisernen Geländern in der Zopf- ornamentik, die Nikolai- und Marien- Krawatte in Flachstickerei kirchenaufnahmen, das scheckige Dächer- Entwurf von Franziska Hofmanninger gewirr von Neu-Cöln am Wasser, die Inselbrücke und die alte Herkulesbrücke, die Schilderei der Friedrichsstraße und der Schloßfreiheitbuden mit ihren Bilderbogeniiächen, die Winkelhöfe der Petristraße mit ihren hölzernen Galerien, die Giebelder Grünstraßenhäuser, die charakteristisch die„Särge"heißen. Neben diesem alten Berlin das neue Berlin Skarbinas. Skarbina hat sich früh die moderne Großstadtstimmung zum Motiv genommen. Doch in seinerBerlinerLuft schwingt ein gewisses Parfum, das den Ursprung am Pariser Boulevard hat. Er liebt die Lichteffekte der abendlichen Großstadtstraßen, die Feerien der elektrischen Monde und die leuchtende Flut, die aus den Auslagen der Bazare strömt, das Gewimmel der Droschken und Omnibusse, die Phänomene der Laternen im Nebel, wenn ihre Flammen wie zitternde Dotter im Astralhof schwimmen. Man denkt an Charpentiers „Ville de lu- miere". Skarbina sucht noch nach Steigerungen solcher Lichteffekte; er bildet die natür- lichen Feuerwerke und die Illumination nach, die der Weihnachtsmarkt mit der kaleido- skopischen Licht- und Farbenmosaik der bunten Spielzeugbuden, den Lampions, den Kerzen- pyramiden der Tannenbäume bietet und die Magie des Bahnhoffeldes von einer Brücke aus gesehen, mit dem Spiel der Signallaternen, blitzend durch die Wolken der Lokomotive. Die Frauen, die über diese Straßen schreiten oder schlank aus einem Wagen steigen, heben sich mit der Grazie der Pariserin die Röcke. Skarbina hat aber auch den 45'