den Calener- und auch in den sogenannten Euripides-Schalen etwas Ähn-
liches vorlag? Daß diese von den Römern in anderen Tonsorten nach-
gebildet wurden, zeigen die modenesischen Schalen mit Gemmenabdrücken
und die Teller von Orbetello. Die Keramiker folgten dabei den von Toreuten
gegebenen Mustern. Im letzten Jahrhundert v. Chr. waren in Alexandrien
die Prachtgefäße des Hildesheimer Silberfundes und des Schatzes von
Bosco Reale geschaffen worden, zu deren besten Stücken gerade Schalen
mit hochgetriebenen Emblemen im Innern gehören. Die Nachbildung
solcher Prunkstücke in billigerem Material, in Bronze, Glas, Ton, bildete eine
Hauptaufgabe des römischen Kunsthandwerkes, dessen Fortschritt, wie der
des Kunsthandwerkes zu allen Zeiten, häufig auf der Imitation eines Materials
durch ein anderes, oder mit anderen Worten, auf der größtmöglichen Aus-
nützung aller Eigenschaften eines Materials beruhte. Daß die feineren
Sigillaten Kopien kostbarer Silber- oder Bronzegefäße waren, ist in vielen
Fällen nachgewiesen, so zum Beispiel bei den Siegesbechern; weshalb
sollten die Sigillata-Fabrikanten gerade bei der Nachbildung der Metall-
schalen mit Innenreliefs halt gemacht haben? Technische Schwierigkeiten
kamen ja durchaus nicht in Betracht.
Außer der kleinen, leicht übersehbaren Frankfurter Scherbe kommen
hier zwei wohlerhaltene reliefierte Schalen in Betracht, welche schon vom
ikonographischen Standpunkt aus das Interesse des Archäologen fesseln." -
Die eine hat einen bevorzugten Platz im Museum der Diocletians-
Thermen in Rom und ist schon von Visconti (bull. munic. 1873, S. x17 f.,
Tafel III 2, 3) und danach von Cumont (mon. de Mithra, S. 247, N0. 89,
suppl. S. 485) veröffentlicht. Sie ist eine ziemlich tiefgerundete fußlose
Patera von 21 Zentimeter Durchmesser aus feiner hellroter Sigillata, die nicht
glasiert sondern nur poliert ist, mit scharf profiliertem Rande und einer
leichten kreisrunden Vertiefung in der Mitte der Innenseite. Zwischen
dieser - teilweise in sie einschneidend - und dem Rande ist das Relief-
bild des stiertötenden Mithras angebracht, ihm entgegengesetzt die Szene,
wie Mithras den Stier an den Hinterbeinen gefaßt hat und auf seinen
Schultern fortträgt, dazwischen im rechten Winkel zu beiden die Figur
eines nach rechts schreitenden Hundes mit einer Perlenkette um den Hals.
Zur Herstellung dieser Innenreliefs konnte man nicht eine I-Iohlform aus
einem Stücke verwenden, da das Bild beim Schwinden des Tones nicht gut
herausgekommen wäre. Man benützte an ihrer Stelle drei Einzelstempel,
die man um so leichter nebeneinander setzen konnte, als ja die Szene nicht
zusammenhing. Die Schale wurde in den Sechzigerjahren in Civita Lavinia,
wahrscheinlich an der früheren Stätte eines Mithräums, mit Resten andererTon-
' Dragendori hat sie nachträglich, indirekt durch mich auf sie aufmerksam gemacht, in einer seiner
zahlreichen Berichtigungen erwähnt und sein Versäumnis damit entschuldigt, daß er die Echtheit der Orpheus-
Schale angezweifelt habe. Dabei hat er aber die Notiz bei Cumont, rnon. de Mithra, supplement 485 übersehen
und hält die im Museum Diocletianum befindliche Schale und die von Visconti und Cumont veröEentlichte für
zwei verschiedene Stücke, während sie tatsächlich identisch sind. Den Irrtum Viscontis, beziehungsweise der
kleinen Tiergestalt hat Cumont berichtigt.