den Ausstellungssälen, wo man sie früher einzeln oder gruppenweise kennen gelernt hat. Noch unbekannt waren bloß die allerletzten Arbeiten, darunter eine vorzügliche Marmor- büste des Prinzen Alexander Thurn und Taxis junior; ein bartloses Jünglingsgesicht von interessanter Detaillierung innerhalb all der Glätte der Jugend. Man merkt daran, wie gut sich die Künstlerin auch aufjugendliche Damenbüsten verstehen muß, wie deren die Aus- stellung so manche enthielt (Gräfin Elise Wilczek-Kinsky, die drei Gräiinnen Wilczek in Gruppe, Gräfin Marie Westphalen), und nicht minder auf knospenhafte Kinderköpfchen, deren einige auch durch den naiven Ausdruck fesselten. In der Porträtbüste, die ja dem allgemeinen Beschauer am nächsten steht, hat die Künstlerin nachgerade eine bedeutende Höhe erklommen. Sie gehört zu unseren Besten. Und zwar liegen ihrem kräftigen Tempew rament auch die männlichen Charakterköpfe vortrefflich. Man braucht bloß auf die bekannten Prachtstücke hinzuweisen (Exzellenz Hartel, Graf Wilczek, Graf Schlick, Baron Pirquet, Baron Chlumecky, Baron Berger, Bildhauer Hellmer, Professor Theodor Gomperz, Herr B. Hellmann und so weiter bis zu dem ungewöhnlichen Typus Schließmann). Frau Ries hat aus solchen Büsten im großen Atelierraum einen weiten Halbkreis zusammen- gestellt, wo die Nachbarschaften aufs feinste berechnet sind, so daß alles sich gegenseitig hebt. Zwei Marmorbüsten sind die ihrer Eltern; glatte, mit schulgerechter Sorgfalt behandelte Arbeiten, die sie gemacht hat, nachdem sie in Wien ein Jahr Schule zu sich genommen hatte. Das war eigentlich ein Abweg, denn die früher, ohne Schulung ent- standene Büste des Grundbesitzers Nikolai Wassiljewitsch Medinzeff (1895) ist eine mit dekorativer Breite in malerischem Realismus aus dem Leben geholte Arbeit. Sie war also ursprünglich auf dem besseren Weg, den sie nach Abschüttlung der Schule wieder ein- zuschlagen trachtete. In diesem Sinne biographisch interessant ist auch die Marinorstatue „S0mnambule", deren Modell sie noch im Elternhaus zu Moskau heimlich gearbeitet hat, mit einer anatomischen Kenntnis, die sie auch insgeheim den umgebenden Personen abgucken mußte. In Wien fand sie sich dann auf diesem Gebiet rasch zurecht. Schon ihre erste, seinerzeit im Künstlerhaus ausgestellte Figur „Die Hexe" ist eine überaus talentvolle Studie von Nacktem und zugleich von dämonisch angewandelter Charakteristik. Die nächste, gleichfalls ins Dämonische streifende Arbeit war der große sitzende Luzifer, ihr erster männlicher Akt. Das war so recht der Kampf um das Nackte, das sie sich so bald eroberte. Die letzte Etappe darin ist ihre mehrfach in Bronze wiederholte Gruppe „Der Kuß". Ob und wie weit sie von Rodin und Meunier (etwa in der prämiierten Gruppe „Die Unbesiegbaren") beeinflußt gewesen, wäre eine müßige Untersuchung. Die Luft ist voll von diesen und anderen Geistern, die über sämtliche Landesgrenzen des Globus schweifen. Niemand kann sich niemandes erwehren, wenn er mit offenen Künstlersinnen seine Bahn geht. Das Wesentliche ist, daß diese und noch andere weit ausholende Arbeiten, auch das Grabdenkmal „Die Seele, zu Gott zurückkehrend", eine ungewöhnliche plastische Energie und einen stets auf das Hohe gerichteten künstlerischen Willen bekunden. Wie bei wenigen Künstlerinnen (etwa Therese Schwartze in Amsterdam) wird man hier von einem „männlichen" Talent sprechen können. Der Traum dieses Lebens ist natürlich das Monumentale. Der reizvolle kleine Entwurf fiir ein Liszt-Denkmal, mit Reliefs um den Sockel, deutet offen genug darauf hin. Hoffentlich wird die Künstlerin auch diese Stufe ersteigen. ÜGEN SPIRO. In der Galerie Miethke hatte der junge Berliner Maler Eugen Spiro E eine interessante Ausstellung seiner neueren Bilder. Er ist i874 in Breslau geboren und stand dort zunächst unter dem Einliuß des Professors Breuer, dieses Originals, der Gerhart Hauptmann als Urbild zu seinem Michael Kramer gedient hat. Auch Hans von Marees und bei uns der Medailleur j. D. Böhm waren solche geborne Anreger zum Empfinden und Gestalten des Schönen, wenn dieses sich ihnen selbst auch nicht als Schöpfern aus dem Vollen ergeben wollte. Auch Fritz Erler, Adolf Münzer und andere Moderne sind aus der Breuer-Schule hervorgegangen. Spiro war dann in München bei Stuck,