597 Ich war nicht wenig überrascht daraus zu erfahren, daß auch die mo- derne Glasindustrie den Ausdruck Mur- rinen kenne und wandte mich des- halb um nähere Aufklärungen an Conton, der mir vor einigen Tagen fol- gendes darübermit- teilte: „Die heuti- genvenezianischen Glaskünstler be- zeichnen als Mur- rinen die Gläser mit mehrfarbigen Flecken, die nicht in der eigentlichen Mosaiktechnik ausgeführt sind, sondern folgender- maßen: zuerst wer- den nach Belieben Stäbchen von ver- schiedener Form undFarbe angeord- net, diese in den Venezianischzr Glasluster (Schloßhof) "Ofen gebracht, so daß daraus eine einzige Masse zusammenschmilzt, der man sofort in einem Holzmodel eine rohe Form gibt, gewöhnlich die einer Schale. Dann wird das Stück auf das sorgfältigste mit dem Rade auf der Drehbank bearbeitet. Um eine einzige Schale fertig zu machen, braucht es nicht weniger als einen Monat! Die meisten brechen, ehe sie fertig werden. Ein alter Glas- künstler sagte mir, es sei eine Seltenheit, wenn unter zwölf Stücken zwei gelängen. Deshalb haben die Murrinen einen sehr hohen Preis. Sie fragen, weshalb die Modernen sie Murrinen nennen? Weil vor zwanzig oder fünf- undzwanzig Jahren hier jemand geglaubt hat, daß die antiken Murrinen auf diese Weise hergestellt worden seien. Was die Milleiiori betrifft, so werden diese, obwohl sie den Murrinen sehr verwandt sind, doch nicht so bezeichnet; die modernen Glaskünstler stellten nämlich die Milleliori schon lange her, ehe sie die oben beschriebene Art kennen lernten." 74