670 und einem breiten krönenden Reliefstreifen. Dann erst geriet der Künstler auf die Form eines gewaltigen Würfels mit Reliefseiten, Ecktiguren und der überragenden Hauptiigur des Sämanns, der mit Alles enthaltender Geberde die Hoffnung der Zukunft ausstreut. Es blieb auch dabei nicht. Die Zusammenstellung im Hagenbund soll auf Mitteilungen Fernand Khnopffs beruhen, der die weiteren Absichten Meuniers gekannt habe. Zwei der großen Reliefs waren vom Künstler nur erst irn kleinen angefertigt und wurden für diese Wanderausstellung von anderer Hand vergrößert. jedenfalls erhält man einen mächtigen Eindruck und der Sämann ist und bleibt wohl die bedeutsamste Figur des Künstlers. Über die Bedeutung Meuniers und das etwa Bleibende an ihr ist aus diesem Anlaß in der Presse eine interessante Erörterung eröffnet worden. Fällt doch immer erst die Zukunft das Urteil, und auch dieses ist nicht inappellabel, denn auf jede nächste Zukunft folgt immer wieder eine fernere. Prophezeien ist also ebenso leicht als schwer. Die Warnungen vor Überschätzung sind jedenfalls wahlberechtigt und auch keineswegs pietätlos, denn man steht trotzdem unter dem Eindruck einer ursprünglichen und tief heraufquellenden künstlerischen Schöpferkraft, die einen Teil ihrer Zeit überzeugend zu gestalten vermag. Diese Gesamtleistung ist eine der lebensvollsten Episoden der demo- kratisierten Zeitkunst. Obwohl, wie auch Leisching betonte, Meunier keineswegs in Sozialismus machen wollte - ich hob seinerzeit hervor, daß er ja dann zum Arbeiterführer oder mindestens zum Deputierten gewählt worden wäre - ist doch seine Kunst von großer sozialer Bedeutung. Aber mehr in dem Sinne, daß sie den innigen Zusammenhang von Kunst und Leben einmal mit besonders eindringlicher Kraft aufzeigt. Und dann dadurch, daß sie dem vierten Stand, nachdem er seine politische Gleichberechtigung errungen, nun auch die künstlerische erkämpfen hilft. Und zwar in dem Sinne, der uns alle zu bejahenden Mitinteressenten macht, nämlich nicht durch I-Ierabdrücken des Niveaus zu den ästhetisch enterbt Gewesenen, sondern durch Ernporheben dieser Schichte in reinere Sphären, wo ihrer eine ungeahnte Läuterung harrt. Das Wort „moderne Antike" ist für Meunier alsbald geprägt gewesen. Er hat die Identität des Menschen von ganz oben bis ganz unten künstlerisch erwiesen. Der Unterschied zwischen seinem jugendlichen Debardeur aus dem Antwerpener Hafen und einem griechischen Hermes, zwischen seiner achtzehnjährigen „Hiercheuse" (germinalischen Andenkens) in Mannskleidern und einer antiken Diana ist nicht so groß, als man vor ihm geglaubt hätte. Wie Goethe das Ewig-Weibliche, haben Meunier und Millet das Ewig-Menschliche auf den Schild gehoben. Sie haben den Erden- kloß neu humanisiert für unsere jetzigen Begriffe. Dabei ist bloß Schlacke abgefallen, der Charakter bleibt gewahrt. Das Individuum mit seinen Zufälligkeiten ist zum Typus mit seiner Gesetzmäßigkeit erhöht. Der Stil, dem ja die Kunst heute wieder zustrebt, hat sich eine neue Schichte der Menschheit erobert. Nicht der Schulstil, wie in Zeiten der Dressur, des Kunstdrills, der auf eine Drillkunst ausging, sondern der Eigenstil jedes starken Einzel- talents. Wie der schöpferische Einzelne sich die Natur zurechtlegt, wie er seinen Organis- mus auf sie überträgt, das ist ja das interessanteste an aller Kunst. „Natur, gesehen durch ein Temperament", sagte schon Zola, ohne einstweilen die Tragweite seines Wortes zu ahnen. Ihm reichte es nur bis zum Impressionismus, uns über diesen hinaus bis zu seiner reifen Frucht, dem persönlichen Stil. Meunier ist eines unserer größten Beispiele, was etwa darunter zu verstehen wäre. HENRY DE GROÜX. Eine große Ausstellung von Pastellen und auch einigen Öl- bildern in der Galerie Miethke macht das Wiener Publikum mit dem belgischen Maler Henry de Groux bekannt. Er ist x867 in Brüssel geboren, ein Sohn des bekannten Armeleutmalers Charles de Groux, und lebt in Paris. Als Sonderling, als Original, als Friedensapostel mittels Feuers und Schwertes, als Bekrieger des Krieges, der Tyrannei, des Elends. Ein Tendenzmaler, der von Wiertz herkommt, aber auch von Delacroix, denn er ist ein feuriger, romantischer Kolorist, dessen Blut noch ganz anders siedet, als bei Wiertz, der trotz seiner ungeheuren Geberden doch die schwachmatische Gedankenmalerei