672 Lohengrin und Siegfried zu seinen bevorzugten Helden gehören. Und Dante, dessen Göttliche Komödie ihm unter anderm die Reihe von Pastellszenen geliefert hat, die man bei Miethke sieht. Seine Höllenglut und I-limmelsglorie (Beatrice) ist in der Tat etwas ganz anderes, als die . .. sagen wir, Gustav Dores. Da ist eine rasende Glut, die in ungeheuren Flammen durch Klippen bricht, wie sie in der Oberwelt nicht vorkommen. Das ist schon eine eigene Geologie, wie sie zu diesen Scharen von Verdammten paßt, die Mückenschwärmen gleich an Höllenkerzen zu verbrennen scheinen und doch immer wieder da sind zu neuem Auflodern. Nur ein einziger Maler der Neuzeit hat diese jenseitig- keiten mit gleich starker Phantasie gemalt, William Blake, der hellseherische Schmerzens- mann. Allerdings mit ganz andern Mitteln, mit denen des Gedankenzeichners, des Repor- ters von Visionen. Blake war der halluzinierte Puritaner, der vom Zeichnen schier Wund- male an den Händen bekam, wie die großen christlichen Schwärmer der Vorzeit. Aber der sinnliche Ausdruck seiner farblosen Szenen ist gleich Null, man könnte sie sich ebenso gut als weiße Reliefs auf blauem Wedgwoodporzellan denken. Daß die Hölle etwas Glühendes und Peinliches ist, spürt man bei Henry de Groux und Rodin. Das Wiener Publikum hat natürlich diesem Belgier gegenüber einen schweren Stand, aber es ist schon gut, daß es auch solche Erfahrungen macht. Die Hauptsache ist ja: Horizont gewinnen. DIE HÖLLE. So heißt ein neues Theaterchen, halb und halb Kabarett, das sich kürzlich in den unterirdischen Sphären des Theaters an der Wien aufgetan hat. Es verdient Erwähnung, weil einige namhafte Wiener Künstler sich um die Ausstattung bemüht haben. Josef Urban hat das Bauliche besorgt, in heiteren, neuzeitlichen Formen, die sich von allem Klischee fernhalten. Was er an Zierdetails verwendet, ist eher scherz- haft zugestutzt und mit Glascabochons und dergleichen im Souterrainstil aufgepulvert. Der Bildhauer Barwig (Hagenbund) liefert dazu große Masken von parodierter Stilistik. Die Malerei ist von Ludwig Ferdinand Graf und Heinrich Lefler mit sicherem Schick besorgt. Graf bringt vier ovidische Verwandlungen: jupiter mit Europa, Leda, Kallisto und Danaä. Freiluft mit Freilicht, alles in launischen Reflexen flatternd, in Schein und Wider- schein aufgelöst. Der Künstler hat dazu die richtige Palettenphantasie und fürchtet sich nicht vor ihr. Lefler aber hat an gelegenen Wandstellen sechs arabeskenhafte Farben- Hecke hingesetzt, deren jeder sich als tanzendes Pärchen entpuppt. Immer ein Exzentrik- dämchen mit einem Teufel, was alsbald auf einen kapriziösen Kleckswirbel oder Wirbel- klecks hinausli-iuß. Diese Bildchen sind auch mit einem Urbanschen Extraschick einge- rahmt. Die anstoßende eigentliche „Hölleß mit Boxes garniert, ist ganz rot in rot. Tape- zierung, auch derTüren, Wanddekor, Beleuchtungskörper, alles rot. Züngelnde Goldflammen uud dergleichen die Ziermotive. So hat sie sich Henry de Groux doch nicht vorgestellt. KLEINE NACHRICHTEN Sh AUS DEM BERLINER KUNSTLEBEN. Im Salon Schulte ist eine spanische Ausstellung sehr fesselnd. Sechs Goyas geben starken Eindruck. Die beiden Porträte des Generals Palafox und des Pfarrers von Chinchon (Goyas Bruder), der Kriegsmann und der Gottesmann, sind wie Verkörperungen der altspanischen Mächte, und das Frauenbild, die Herzogin de Baena, auf dem Divan liegend, taucht fahl leuchtend aus dem Dunkel. Schicksalskolorit ist um diese Menschen, und dazu zwei Goya-Nachtstücke, infernalische Spukszenen, malerische Hexensabbatträume. Eine Galgenvision das eine: schwimmende Finsternis mit helleren Schattengestalten und über ihnen schwebend der weiße Körper des Abgehenkten im bleichen Hatternden Armensünderkittel. Wie ein Bild zu Arnims Isabella von Ägypten wirkt das. Das andere, dem verwandt in der helldunklen Mischung, hat zum Thema einen nächtlichen Überfall: der Mörder Tod bricht nächtlich in das Haus.