Aber auch noch andere Welten tun sich auf: Englische Kulturen des XVIII. Jahr- hunderts, man sieht feingliedrige Verwandte der Romney, der Gainsborough. Diese Damen haben alle ovale Gesichter von hauchzartem Teint, die Locken rieseln darüber, Blumen und Bänder umspielen sie, breitrandige Federnhüte rahmen die Köpfe. Und wendet man die feinen Medaillons mit dem Gold-, Perl- oder Filigranrand, so findet man auf der Rück- seite eine kunstvoll geHochtene Flächenmusterung aus Haar, von einer Flechte umrahmt und mit den Initialen in Perlenstickerei. Auch norddeutsche Bürgerlichkeiten stellen sich ein, Gestalten wie aus Ifüands Familiengemälden. Der liebe Meister Chodowiecki kommt und Frau Chodowiecka, er im braunen Rock mit säuberlichem Haarbeutel, sie das gemütliche Hausfrauengesicht vom Kopfschleier umhüllt; Justizamtmänner im blauen Frack mit goldenen Knöpfen; Madames mit rundbackigem Vulpiusgesicht und blanken Augen; Demoiselles mit schmachtenden Ringellocken am Spinett. Diese Technik liebt an den Frauen besonders die Spitzentücher, die furdieminutiöse Nachbildungso dankbar sind und die als Filigrangeäder über der zarten Haut des Halses eine Geschmackswirkung geben. In ähnlicher künstlerischer Absicht werden die wehenden Schleier verwendet, und das weiche Gefieder des Pelzwerks dient dazu, den Pfirsichfiaum der Haut zu nuancieren. Auch moderne Kleinkunst fehlt nicht ganz. Emil Orlik hat einige subtile, in feinfingeriger Juweliertechnik gearbeitete Werke von höchstem Geschmackreiz ausgestellt. Wie zu einem Akt der geäderte Hautton des Elfenbeins für den Körper benützt ist, wie ein weißer Stuhl gegen goldmustrigen, schwarzgrün und violetten Hintergrund steht, wie eine Korallen- schnur einen Hals pointiert, das ist von einer feinschmeckerischen Delikatesse. Bei Keller ä Reiner interessierte die Studienbeute Kuhnerts aus Afrika und Ceylon voll Kiplingscher Dschungelstimmung und Lesser Urys groß geschaute Sintiiutszene der im Todesgraun ringenden, an den Felsen geklammerten Menschen. Bei Gurlitt sah man Brangwyns braunrot schwellendes Bild der Ziegenhirten wieder; balladeske Landschaftsstimmungen von Oskar Graf; einen schimmernden, blühenden Lilienfors: Birkhühner in Reif; eine Körpersinfonie von Ludwig v. Hofmann: Badende Jungen; ein Jugendselbstporträt Trübners, das an den Grünen Heinrich denken läßt; beseelte Dämmerungsinterieur Reifferscheidts. Bei Schulte gibts Jugend und Nachwuchs. Der Klub der Berliner Landschafter verblüfft zwar nicht durch hervorragende Qualitäten, aber er zeigt eine künstlerisch anständige und gute Haltung. Die Mitglieder stellen den Jahrgang von Zwanzig bis Dreißig dar. Ihr Senior aber ist ein Mann von vierzig Jahren, Leonhard Sandrock. Vom ihm sieht man einige echt und leibhaftig erfaßte Hafenbilder aus Hamburg und Genua. Die dankbaren Motive des wolkig geballten Grau, aus dem die massigen Leiber der Schiffskolosse tauchen, die ver- schwimmende Einheit von Luft und Wasser, dies Nebelelement, das die Formen löst und eine Schleierstimmung breitet, ist glücklich getroffen. Ein Landschaftsidylliker, der die stillen, friedevollen Dorfkirchen-, Teich- und Gärtenausschnitte liebt, ist Karl Wendel. Ernst Kolbe reizen die merkwürdigen, oma- mentalen Effekte, die Frost und Eis in der Landschaft wirken: die blaugrün starre Felder- fläche voll schillernder Weiße und der Luftraum wie ein Gewölbe aus blankem Stahl. Eine niedliche Anmut haben die Landschaftsminiaturen von Hans Klohß. Zierliche Ausschnitte geben pikante Luftsilhouetten von Dächern, Schornsteinen, Windmühlen. Felix Poppenberg FLUGBLÄTTER FÜR KÜNSTLERISCI-IE KULTUR. Neue Schlagworte sind gefährliche Geschenke. Von schöpferischen Menschen in die Welt gesetzt, die neue Wege zu erhellen vermögen, werden sie bald auch von Jenen aufgegriffen, welche nur die vorhandenen Mängel zu empfinden, aber nicht zu bessern im stande sind. OR leider auch von jenen Schlauen, die es verstehen, den Mantel nach dem Wind zu drehen. l