archäologische Erklärung gibt eine französische Krippenskulptur, wohl aus dem beginnenden XV. Jahrhundert (Abb. 53). Die Krippe mit dem Kind, welche zwei Hirten und die typischen beiden Tiere umstehen, gleicht im Aufbau ganz jenem Wiegengestell der Renaissance. Sollte eine schwache Reminiszenz an die wirkliche Futterkrippe Christi auch noch bei der Renaissancewiege nachgewirkt haben? Vielleicht könnte man eher von einer „Archäologie des Unbewußten" sprechen, denn die ehrwürdige Matrone in Clermont-Ferrand, von der die Renaissancewiege in die Sammlung gelangte, erwiderte dem heutigen Besitzer gegenüber auf den Hinweis auf deren Krippenform mit den berichtigenden Worten: „Die Krippe war ein Futter- trog, aus dem die Tiere gefressen haben, die Wiegen aber hat man hierzu- lande immer so gebaut, daß das Kind für die bei uns in den meisten Wirt- schaften vorhandenen Haustiere nicht erreichbar blieb." Ein auserlesen schönes, allerdings der Plastik und Kleinkunst mehr als den Möbeln zuzugesellendes kleines Krippenbett des XV. Jahrhunderts, wohl das schönste uns überhaupt überlieferte Exemplar dieser Gattung, kann für diese Lücke Ersatz bieten. Es stammt aus dem Beguinenkloster zu Löwen. Ein Mittelding zwischen Krippe und Himmelbett, dessen Formen bis auf die fehlende Überdachung wir wiederfinden, gibt das kleine Kunstwerk in seiner feinen, freudigen Polychromierung, in förmlichem Überschwang an architek- tonischer und bildhauerischer Dekoration einen rührenden Begriff von der klösterlich inbrünstigen Verehrung des kindlichen Erlösers (Abb. 50 bis 52). In eigenartiger Weise verbindet sich in der Architektur dieses kleinen Prunkstücks der Charakter der Steinarchitektur mit der des Holzes. Wiege, Himmelbett und Gotteshaus in Art des Reliquienbehälters verschmelzen sich in selten harmonischer Weise. Die lebhafte Färbung - die Grundfarbe ist weiß, mit reicher Verwendung von Gold, Blau und Rot -, der heitere Schmuck der oben an der Stelle des sonst dort befestigten Stoffhimmels, der hier, um das Innere sichtbar zu lassen, wegbleiben mußte, angebrachten Schnüre mit kleinen Kugelschellen, die prächtig gewandeten, musizierenden kleinen Engel auf der Bekrönung der Pfosten bringen eine heitere, festliche Note in das kleine kirchliche Kunstwerk, einen Schimmer echter Weihnachts- freude. Die Innenflächen von Kopf- und Fußteil sind mit einer Papiertapete beklebt, die gemalt oben einen Vorhang haltende Engel, unten wieder musi- zierende Engel trägt, den Gesamtakkord noch weiter verstärkend. Auch die eigentliche Bettausstattung entspricht der krippenmäßigen Prunkentfaltung. Den Grundstoff aus roter Seide bedecken Goldfadenstickereien mit echtem Perlenbesatz: auf dem Kissen erblicken wir das Lamm Gottes mit den Evangelistensymbolen, auf der Decke den Stammbaum Christi. Goldene, rot und grün emaillierte Vierpaßknöpfe und blattförmige Silberlamellen am Kissensaum treten zu weiterem Schmuck hinzu. Die ernstere, bildhauerische Zier bringen die Außenseiten in glücklich komponierten Darstellungen der Geburt Christi und der Anbetung der heiligen drei Könige in fast frei gearbeitetem Hochrelief.