ALERIE MIETHKE. In der Galerie Miethke hat Fräulein llse Conrat eine Aus- stellung ihrer plastischen Arbeiten veranstaltet. Ihre ersten Sachen, noch aus der Schule Van der Stappens in Brüssel, sind aus der Sezession erinnerlich. Ein weiblicher Akt besonders erregte Erwartungen. Unter den Dingen, die man jetzt sieht, geht noch einiges auf das Vorbild des Lehrers zurück und ist in diesem Sinne vortrefflich. Eine Mädchenbüste über einem großen Buche („In Gedanken", Bronze) variiert auch eines seiner Motive. Eine bärtige Kriegerbüste und ein Tintenfaß, Bronze, mit sehr gut modelliertem weiblichen Rückenakt verraten ernstes Studium. Seither steht die Künstlerin im Kampf urn ihre eigene Kunst. Da melden sich denn Einflüsse, die in der Wiener Luft selbstverständlich sind. Metzners große Stilkunst wirft einen Schimmer auf ihre lebensgroße Marrnorbüste der Kaiserin Elisabeth. Metzners und Lederers kauernde Figuren finden Nachfolge in einer derart zusammengefügten Marmorstatuette („Mutter"), wo der üppige Akt sein ganzes dankbares Kurvensystem herausgeben muß, und in einer kleinen Gipsfigur „Ensh Unter mehreren weiblichen Köpfen, Masken vielmehr, ist ein hintenüber geneigter besonders gelungen. Flachreliefs in Marmor geben weibliche Profile, die ihren Stil suchen, im frühen Florenz, oder es taucht ein attisches Memento auf in der hohen Reliefligur eines ruhenden Mannes. Auch Medaillons in Bronze kommen vor, bald realistisch, bald in fein ver- schwimmender Abstraktion (Ibsen), und zurAbwechslung erscheint ein Stückchen Craquele. Der Eindruck der des suchenden Talents, das zu finden beginnt. Diese Ausstellung ist aber mit einer zweiten, und zwar ganz reichhaltigen gefüttert. An den Wänden hängen zwei Serien köstlicher Amateurphotographien von Professor Heinrich Kühn (Innsbruck) und Dr. F. V. Spitzer (Wien). Beide Meister sind in ihrer Spezialwelt unbedingt anerkannt und namentlich durch die Ausstellungen des Cameraklubs den Wienern geläufig. Kühn ist ein Hauptvertreter der malerischen, stimmungsuchenden Richtung, die man in Amerika Photo- Sezession nennt (Eduard Steichen, Gertrude Käsebier und andere in Newyork). Da sind denn diese Kühnschen Freiluftaufnahrnen, zum Beispiel von Kindern in weißen Kleidern unter heller Sonne, oder seine unendlich duRigen lnterieurs mit Durchblicken und einer weißen Negligegestalt im Lichtzug (fast möchte man so sagen, ad norrnam Luftzug) das Vollkommenste. Und dazu kommt noch eine appetitliche Spezialität, seine Stilleben von Kalfee- oder Teeservicen oder Früchten. Der leise Schummer, in dem diese Porzellan- und Glassachen sich modellieren und mit den zartesten Lichtern verbrämen, Endet die höchste Bewunderung. Dr. Spitzer aber fesselt zunächst durch seine vorzüglichenPorträtaufnahmen. Es sind meist stadtbekannte oder weltberühmte Persönlichkeiten (Professor Zuckerkandl, Klimt, Gallen, Hodler, Toorop und andere) oder interessante Wiener Damen und Kinder. Dann Akte und holländische Motive, unter diesen ein großer Kirchgang in Volendam, und Landschaften, zumBeispiel mitNetzflickerinnen, ganz in Israelsscher Weise. Dr. Spitzer beherrscht die großen Ressourcen des Gummidrucks vollkommen, ohne ihm so gründlich mit Handretusche aufzuhelfen und ihn förmlich „graphisch" zu machen, wie Robert Demachy, durch dessen bestechendes Sondertalent der Gummi so in den Vordergrund gelangt ist. Auch das bildmäßige Sehen, der richtige Ausschnitt des Motivs, die Wahl des photo- graphisch wirksamen Effekts ist tadellos. IETHKE-GUTENEGG. In dem Miethkeschen Lokal am Graben ist ein neuer junger Künstler zu sehen, Otto M. Miethke-Gutenegg, der Sohn H. O. Miethkes. Er ist an der Wiener Kunstgewerbeschule und in München bei Knirr gebildet, hat auch einen längeren ägyptischen Aufenthalt hinter sich. Er stellt sich hier zunächst als hochmoderner Zeichner vor, der die selbstverständlichen Einilüsse (Beardsley, Sowolf, Rops, Sascha Schneider) aufgenommen hat, aber bereits zu eigener Phantasie und Technik durchdringt.