war es ein Fest der Augen, wie es nicht oft erlebt wird, und hat wieder einmal erwiesen, daß Wien dank seinem Temperament und gewissen künstlerischen und quasi-künstlerischen Eignungen die Großstadt dieser Art von Schaufesten ist. Man wird es nun füglich die Stadt der Festziige nennen können. NTERNATIONALE BAÜKUNST-AUSSTELLUNG. Im Anschluß an den Architektenkongreß hat in der Gartenbaugesellschaft eine große Architekturausstellung stattgefunden. Diese Weltrundschau war überaus lehrreich und geeignet, gewisse Stand- punkte zu berichtigen. Die auffallendste Tatsache ist, daß Fachleute und Kunstfreunde einstimmig die russische Abteilung als Clou des Ganzen erklärt haben. Und zwar die Modernen mit inbegriffen. Die Petersburger und Moskauer Architekten, obgleich auch aus Akademien hervorgegangen und in Museen bewandert, halten an ihrem urwüchsigen Nationalstil fest. Sie bauen russisch, moskowitisch, mit dem Kreml und der Aja Sophia vor Augen. Höchstens daß sie noch das russische Empire pflegen, dessen Klassizismus auch seinen feinen Juchtengeruch hat. Ein Versicherungshaus „Salamander" braucht zwar schwerlich eigens in diesem Stil gebaut zu sein, aber besser als die Schablone des falschen Barockpalastes ist er doch. Die europäische Schablone war aus der russischen Abteilung verbannt. Dagegen sah man die reizvollsten, innen und außen farbigen Bauten, heilig und profan, ausgezeichnet durch malerische Gruppierung, farbiges Leben und eine Exotik, die altererbt und mit dem Volksbewußtsein verwachsen, ihren gemütlichen Heirnatsreiz hat. Selbst der alte Holzkirchenbau ist keineswegs vernachlässigt; im Gegenteil. Das ist echt und gesund, also ewig modern, wenn auch nicht modemistisch. Und neben Rußland war Amerika besonders anziehend. Die als barbarisch verrufenen Wolkenkratzer (richtiger: Himmelkratzer, sky-scraper) haben jetzt schon eine fein abgestufte Gliederung gefunden, die sich künstlerisch vollauf rechtfertigt. Der amerikanische Wohnturm ist eine echt moderne Form, die in der Baugeschichte mit Ehren besteht und mit berechtigtem Selbst- bewußtsein sogar vor einem New Yorker Rathaus (Wettbewerb) von z 5 Stockwerken mit mehrstöckigem Dachpavillon nicht zurückschreckt. Die Amtsbauten kleben freilich noch immer an den klassischen Schulvorbildern fest. Die Bibliothek der Columbia-Universität ahmt das römische Pantheon nach, die Bibliothek Pierpont Morgan hat das Fassadenmotiv der Pazzi-Kapelle in Florenz, von Markustürmen wimmelt es bis nach Kalifornien hinein, Westminster-Gotik und Tudor-Stil, griechische Marmorvilla und Napoleon-Grab wechseln ab. Das eigentliche Wohnhaus ist vorn englischen aus in modernem Geschmack beeinflußt. Das Familienhaus und Cottage waren auch der Schwerpunkt der englischen Abteilung (Baillie Scott war vertreten). Sehr wenig war in den alten Bauländern Frankreich und Italien zu holen. In den vielen großen Pariser Mappen herrschte noch immer eine kaum getrübte Überlieferung vom XVIII. ]ahrhundert. Italien suchte durch Abbildungen großer Wiederherstellungen zu glänzen (Markusturm, Sforza-Kastell) und zeigte als Hauptstück den römischen justizpalast (Guglielmo Calderini), einen Riesenbau in schulbekannten Formen, der doch in der Nähe des Palazzo Farnese zu kurz kommen muß. Einzelnes Originelle fand sich bei den Schweden und dem Finländer Saarinen. Deutschland beschickte sehr reich, doch war das meiste bekannt. Bismarck-Türrne kommen nicht mehr vor, dafür hat sich das Kaufhaus einen modernen Typus gemacht. Das Tietzsche für Düsseldorf, von Olbrich, war auch im Gipsmodell zu sehen; ein sehr fein durchgebildetes Werk. Ein anderes Gips- modell zeigte die für Kaiser Wilhelm wieder hergestellte elsässische I-Iohkönigsburg, die eine so erbitterte mehrmonatlige Belagerung von Kritikern, Archäologen und sogar Parla- mentsrednern ausgehalten hat. Die Frage, ob runder oder viereckiger Turm, hat in Wien allerdings weniger Leidenschaften entfesselt. Die österreichische und ungarische Baukunst war gleichfalls stark vertreten. Namentlich unsere öffentlichen Bauten, älterer und neuerer Observanz, die der Ministerien voran, bedeckten viele lange Wände. Auch große Modelle fehlten nicht (Kirche am Steinhof, hbiläurnskirche). Neues ist darüber nichts zu sagen.