den ganzen Sommer vor. Man fragt sich nuni wird dieses Beispiel nicht endlich Nach- folge finden? Ist Wien nicht so weit Kunststadt wie Berlin, München, Dresden, Darm- stadt, gelegentlich Düsseldorf, Nürnberg, Crefeld? Alle diese Städte schätzen den Sommer, der sie international macht, und suchen den Fremdenstrom für einen Augenblick zu fesseln. Verweile doch, du bist so schön! Nur Wien hat noch immer den alten aristo- kratischen Stadtstolz, wie wenn man zwei Bände Weltgeschichte hindurch ohnehin der Mittelpunkt gewesen ist. Ohnehin! Ach, es gibt heute kein Ohnehin mehr. Der Wettstreit der Städte, auch der Weltstädte, ist an der Tagesordnung. Und nun erst der Kunststädte. Da heißt es denn rufen und locken, die Leute bei ihren Liebhabereien und Instinkten packen, wenn man nicht von der Strömung des Lebens immer mehr seitab getrieben werden will. In Wien besteht ein Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs, dem die Stadt schon viel verdankt. Hat er sich aber schon dieses Themas bemächtigt, mit der Energie und Folge- richtiglreit, deren eine solche gemeinnützige Anbahnung bedarf? Bildende Kunst ist eben bei uns noch immer nicht für alle Leute Lebensbedürfnis und die Scherflein des Interesses fallen für sie meist ganz zuletzt ab. Und auch dann tun sie es weniger aus unstillbarer Sehnsucht nach dieser Art von Schönheit, als weil der Begriff Kultur schlechterdings nicht mehr ohne Kunst denkbar ist. Man ist eben noch in kunstloser Zeit aufgewachsen und hat diesen Hunger nicht mit auf die Welt gebracht. Immerhin ist es ja in Wien nachgerade besser geworden. Die Regierung und Volksvertretung haben heute die Augen und sogar die Hände offener als je. Auch die jetzige Stadtverwaltung holt vieles nach und Bürger- meister Dr. Lueger gibt der Zeit ihre Kunst mit so vollen Händen, als er sie eben voll hat. Zum erstenmal haben jetzt Staat und Stadt auch durch ihre reichliche Unterstützung einer sommerlichen Kunstschau dem modernen Standpunkt Rechnung getragen. Sollte sich nicht daraus etwas Großes, Dauerndes entwickeln? Die Ergebnisse dieses Sommers sind ermutigend, aber man müßte schon jetzt ans Werk gehen und die Angelegenheit beizeiten organisieren, um rechtzeitig auf dem Plan zu sein. Den Parteistandpunkt beiseite. In Berlin und München gibt es für keine Künstlerverbindung einen Sommerschlaf. Genossen- schaft und Sezession bleiben beide wach und leisten nach Krähen. Auch in Wien muß es möglich werden, die Form für ein künstlerisches Sommerleben zu finden, dieser alljähr- lichen Ausschaltung aus dem Kreislaufe des Kunstlebens ein Ende zu machen. OSEF M. OLBRICH. Am 9. August ist J. M. Olbrich in Darmstadt gestorben. Eine tückische Krankheit (Leukämie) hat dem Leben des nur einundvierzigjährigen Künstlers ein Ende gemacht. Wie an der Stätte seines letzten Wirkens, die durch ihn zu einem neuen deutschen Kunstmittelpunkt geworden, hat auch in Wien, wo der junge österreichische Architekt, bekanntlich ein geborner Troppauer, sich die Sporen der künstlerischen Selb- ständigkeit erwarb, diese Nachricht echte Trauer erregt. Sein Name ist mit dem jüngsten Werden und Aufschwung der Wiener Neukunst innig verknüpft. Als Mitbegründer der Sezession und Erbauer des Sezessionshauses, seinerzeit viel geschmäht und viel gelobt, gewiß aber als hervorragendes Talent anerkannt, bleibt er eine sympathische Gestalt der Wiener Kunstgeschichte. Aus dem Kreise Otto Wagners hervorgegangen, an dessen Stadt- bahn er schon eifrig mitarbeitete, suchte und fand er bald den eigenen Weg. Er und Josef Hoffmann standen im Nachwuchs voran, zwei grundverschiedene Naturen; Olbrich, der kolorisüsche und dekorative Phantasiemensch, gleichsam mit feministischem Ein- schlag, Hoffmann, der Logiker und Stilist mit einer mehr induktiven Art Phantasie, deren Grundzug männliche Strenge ist. Beide brauchten Jahre des Reifens, um zu sich selbst durchzudringen. Vor zehn Jahren, als man von den historischen Stilen um jeden Preis los wollte, galt es einen verwegenen Sprung ins Unbekannte. Niemand wußte noch, wohin er schließlich gelangen würde. Das Haus der Sezession war das erste rücksichtslose Bau- wagnis in Wien. Sein Urheber mußte den Mut des Kanonenfutters haben und eine Art heroischer Naivität, um das unbeirrt zu Ende zu fuhren. Es war ein kühner Versuch am Lebendigen, der auf alle Fälle die große Debatte in Fluß brachte und selbst das in Bausachen an