All das gibt indes nur das Bild eines Bruchteils der neuzeitlichen Entwicklung der Stadt. Mindestens ebenso großen Raum beanspruchen die übrigen Gebiete, unter denen natürlich die baulichen Neuschöpfungen einen hervorragenden Platz beanspruchen, sind sie es doch in allererster Linie, die das Stadtbild zu dem gemacht haben, was es ist. Daneben zeigen Pläne und Modelle den Ausbau modern städtischer Verkehrswege, vor allem aber auch Maßnahmen hygienischer Art großen Stils. Daß eine städtische Wasserleitung außer etwa zu Brunnen den Anstoß zu künst- lerischer Darstellung bieten könne, beweist das reizende, in weitem Halbkreis vorgeführte Modell der Münchner Trinkwasserleitung, die alle lsar-Athener mit köstlichem Naturstoff versieht, die Kreuzfahrer der Abstinenzbewegung ebenso wie die mächtigen Sudkessel der weltbeherrschenden Bierbrauereien. Panorama-artig ist die Landschaft vorn Quellengebiet (Mangfallgebiet) bis zum Orte des vielseitigen Verbrauchs meisterhaft mit Wäldern, Hügeln, Bergzügen, Wolkenschatten dargestellt. Im Vordergrund sind die geologischen Schichten fein säuberlich wie ein Käselaib angeschnitten. Und da sieht man nun, welch eines komplizierten Apparats solch eine städtische Wasserversorgung bedarf, um alles, was gesunde Feuchtigkeit braucht, hinlänglich zu versorgen. Manchem Hofbräuhaus-Ein- gebornen mag es förmlich gruseln, sieht er, welch ungeheurer Wasserkonsum sich neben dem ebenso ungeheuerlichen Bierkonsum vollzieht. Bis zum Erstaunen aber steigert sich vielleicht seine Empfindung, wenn er hört, daß diese Wasserleitung hauptsächlich es war, die aus München eine gesunde Stadt machte. So nun, wie dieser Zweig der städtischen Arbeiten technische und künstlerische Vorführung zugleich veranlaßte, ist es auch mit den andern: Nicht blos ein umfang- lich imponierendes Bild kommunaler Entwicklung ist in dieser Ausstellungsabteilung geboten, überall kommt der Grundsatz zum Ausdruck, neu Entstehendem auch Seiten abzugewinnen, die es zur ästhetischen Erscheinung machen. Das gilt nicht bloß von großen Anlagen, wie zum Beispiel dem neuen Moosacher Gaswerk, - auch kleine Ob- jekte: Tramwayhaltestellen zum Beispiel erfreuen sich zweckentsprechender Berück- sichtigung, sogar die öffentlichen Bedürfnisanstalten, deren München im Verhältnis zu seiner Größe nicht allzuviele besitzt, sind nicht vernachlässigt worden. All dies reiche Material, unter dem die Stadterweiterungsprojekte breiten Raum beanspruchen, füllt Säle und abermals Säle. - Nicht minder bedeutsam aber ist die unendliche Reihe von Dar- bietungen, die das produktive Leben von Münchens Einwohnerschaft nach allen Seiten illustrieren. Wie im Gesamtausstellungsbild die architektonischen Erscheinungen den Ton angeben, so bildet unter den rein künstlerischen Abteilungen des Ausstellungsstoffs die bauliche ein Glied von hervorragender Bedeutung. Den Meistern, die in jüngst vertlossener Zeit und heute dem Stadtbild seine ganz besondere Bedeutung zu wahren wußten, ist, mit vollem Recht breiter Raum gegeben, innerhalb dessen durch Risse aller Art und durch Modelle die Arbeit dieser Männer zu glänzenden Einzelgruppen vereinigt wurde. Keine frühere Ausstellung gab je ein ähnliches Bild. Künstler wie die beiden Seidl, wie der nach München zuriickberufene Theodor Fischer, wie Grässel, Hocheder, Thiersch, sie sind durch diese wirksam in einzelnen, schlicht aber fein dekorierten Räumen untergebrachten Spezial- Unterricht, der das ödentliche, das staatliche, das gesundheitlich richtige Leben des Volkes zum Gegenstand hat. Er will dern künftigen Bürger jene Grundlagen, wenn auch in andrer Form, wieder schaßen, die den Staatsbürger schulen. Das ist außerordentlich Vielen ein Dorn im Auge, denen es weit weniger auf die Er- ziehung zum Menschen als auf die Angehörigkeit der Jugend zu politischen Parteien ankommt. - Natürlich setzen diese ganz vortrefflichen Schulideen die Mitwirkung weitausholender sozialer Arbeit voraus. Gar vielen nützt die beste Schule wenig oder nichts, wenn nicht die häuslichen, die familiären Verhältnisse auch als fördernde Faktoren mitwirken. München steht zum Beispiel in bezug auf die Wohnungsfüraorge nicht ganz auf der Höhe der Zeit; es hält in hezug auf städtische Bodenpolitik den Vergleich mit Städten wie Ulm beispielsweise nicht aus. Dem soll in allemächster Zeit mit Heranziehung aller Mittel gesteuert werden. Auffallend ist bei der Ausstellung „München 1908" der sichtliche Mangel an guten Beispielen für das Kleinwohnhaus. Zwar iet ein Arbeiterwohnhaus vorhanden, indes bildet es den Typ der fllr die Gartenstadt l-Iellerau bestimmten Wohnungen und kann irn Grundriß nicht gerade als zweckentsprechend gelöst bezeichnet werden. 11'"