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herum ganz starr gewordene, verschlungene Drachen zeigt, so etwa wie wir
sie auf altorientalischen und frühitalienischen Geweben zu sehen gewohnt
sind. Auch die abwechslungsreiche geometrische Musterung des Randes
gemahnt an die erwähnten Arbeiten. Und dazu dann wieder die Be-
zeichnung: ANO 1772.
Der heute in den Farben außerordentlich milde Vorhang auf Seite 17x
zeigt die typischen Ornamente, wie wir sie auf mittelalterlichen orientalischen
Borten und auf europäischen Stickereien des XII. bis XIII. Jahrhunderts,
zum Beispiele auf dem Gößer Ornate, finden. Und doch entstammt das Werk
wohl erst den letzten Jahr-
hunderten. Selbst die Technik,
Parallelstich in der freien Hand
gearbeitet, ist eine uralte, die
sich schon an spätantik-ägyp-
tischen Funden nachweisen
läßt. Es ist dies übrigens eine
Stichart, die heute noch bei den
Ruthenen und bei Südslawen
geübt wird, wie sich ja auch
ganz nahverwandte Formen
in der slawischen und zum
Teile selbst in der deutschen
Volkskunst noch bis in das
XIX. Jahrhundert, sogar bis in
unsere Tage, erhalten haben.
In Österreich, mit seinen rei-
chen Resten alter Volkskunst,
mußte die Verwandtschaft der
ausgestellten Arbeiten mit den
volkserzeugnissen des nähe_ Ausstellung schwedischer Volkskunst im Österreichischen Mu-
f seum. Kissen, in bunter Wolle gestickt auf blauem Wollstoff,
ren und etwas erneren Ostens bezeichnet 1769 (Nordisches Museum in Stockholm)
besonders auffallen. Man hatte
oft geradezu den Eindruck, slowakische, ruthenische oder kroatische Arbeiten
vor sich zu haben; bei näherer Besichtigung ließen sich dann wohl Unter-
schiede feststellen. Es hat eben jedes Volk wieder gewisse Formen bevorzugt
und dadurch eigentümlich weiterentwickelt. Als kennzeichnend nordisch darf
man wohl den auf Seite x70 wiedergegebenen tapisserieartigen Behang an-
sehen, bei dem übrigens auch schon Renaissance-Einschläge zu bemerken sind.
Wie gesagt, scheint die breiteste Grundlage der schwedischen volks-
tümlichen F ormenwelt noch aus der Zeit des ersten großen Anstoßes, der
eine so hervorragend volksmäßige Kunst mit sich gebracht hat, herzurühren.
Doch ist auch die spätere Sonderentwicklung des Orients nicht ohne Einiiuß
geblieben; den Weg der Einwirkungen haben wir ja schon kennen gelernt.
Die Darstellung auf Seite 172 zeigt die sichtliche Nachahmung eines Knüpf-