der Platten liebt er dünn, wie es auch die Vorfahren taten. Schwingender spricht sich auf
der dünnen Fläche das Strukturspiel aus, man fühlt ihr Atmen.
Lettre bleibt aber nicht bei der Materialästhetik stehen, er ist kein Asket, kein
Puritaner, er liebt Schmuckfreude und das Blühende, wie ein einfallsfroher alter Meister,
der sich nicht genug tun kann:
Feilt immer fort an Hirsch und Tieren,
Die seiner Gottheit Kniee zieren.
Doch putzt er nie aus. Sein Zierat ist gewachsen, es sitzt organisch an den wichtigen
Stellen des Baugefüges und betont sie ausdrucksvoll, die Henkel, Griffe, Deckelknöpfe, Füße;
und fein abgewogen ist immer das Verhältnis der geschmückten und ungeschmückten Teile.
Am Kronprinzen-Service erweist sich diese Handschrift gut. Großzügig ist der Bau,
taktvoll der Dekor, warm und voll bewegten Lebens die Behandlung des Silbers.
Eine Terrine hat weiche, wölbige Körperforrn, der Deckel erinnert an einen flach
liegenden Buckelschild, dessen Knopfspitze den Griff bildet. Der mattblanke Ton dieser
schönen, rundlichen Flächen saugt das Licht tief ein, es wallt auf und ab.
Mächtige Schüsseln breiten ihren schimmergrauen Spiegel und die Handhaben
sind als Palmetten komponiert; fest konstruktiv ergreifen sie klammernd den Tablettenrand
und ihre facherartige Verbreiterung verspricht ein sicheres Ruhen auf der tragenden Hand.
Also eine schmuckhaft ausgedrückte Zweckfunktion. Ein Brotkorb nimmt den Linien-
rhythmus einer Wanne an mit steigendem und fallendem Rand, ein Bewegungsmotiv,
wodurch wieder das Material ins rechte Licht gesetzt wird.
Anmutige Variationen für Salzfässer finden sich. Einmal kelchförmig auf einen Fuß
gestellt von der weit ausladenden Voute einer Tubamündung und am Rand und in der
Taille geperlt.
Und ein andres aus türkisfarbener Keramik in einer Silberhülse ruhend, mit durch-
brochenem Rand, in dessen Maschen das Blau wie ein Email Cloisonne leuchtet.
Ein zylindrischer glattwandiger Pokal baut sich auf umkrallten Kugelfüßen auf. Wie
ein kleiner Turm ragt er und das Plateau des Deckels ist wie eine Zinnenbekrönung
gehalten. Neben dem knauiigen Griff in diesem Kranz steigt - da. das Stück zu einem
Herrenreiterpreis bestimmt ist - ein Pferdekopf auf. Nicht naturalistisch, eher heraldisch
oder an die Stilisierung der Figur aus dem Schachspiel erinnernd.
Lettre macht nicht nur Gerät, er komponiert auch Schmuck in charaktervoller
Gestaltung. Wie alle künstlerisch empfindenden Menschen, liebt er Halbedelsteine, vor allem
graubläuliche Mondsteine, dann die phantasievollen Naturspiele der Barockperlen, der
runengezeichneten Matrixtürkise, der Matrixopale, bei denen im Grunde des dunklen
Muttergesteins schlangen- und drachengleich grünliche Blitze zucken; und den Diamant
sucht er nicht in der Erscheinungsform moderner Schliffvirtuosität als Scheinwerfer und
Renommierfeuerwerker, sondern in der so viel vornehmeren Spielart des alten Tafel-
steins. Gewölbte Perlmutterschalen voll silbriger Meerstimmung bilden mit Mondscheinen
die Märchenaugen auf den Gliederplättchen von Hals- und Armbändern. Ein milchiges
Moosachat-Oval mit mattgrünem Pflanzenhaargezweig hängt an dünner Kette.
Von altmeisterlicher Kraft und Fügung sind die Ringe. Manche verzichten ganz auf
den Steinschmuck und gewinnen ihren ganzen Reiz aus der organisch gewachsenen Kreis-
form, etwa im verschleiften Flechtwerk von Band- und gewundenen Rundstreifen oder als
breites Band, auf dem sich Blättergeäst ringsum verzweigt.
Aber auch Juwelenstücke gibt es, ein mattoniger Reifen umschließt einen gelben
Saphir, gleichend einer Raubtierpupille.
Und ein schwerer Reifen von gedrückter ovaler Rundung, den antiken Siegelringen
verwandt, trägt in einem reich ziselierten Bügel drei Smaragde, eingebettet in goldene Hügel.