stab im Bilde zur Anwendung gebracht werde. Ein Verstoss gegen diese perspectivischen Gesetze iindet sich besonders häufig in jenen Bildern, wo die einzelnen Theile nach Natur- stndien angefertigt werden und wobei häuiig versäumt wird, die bei den Studien voraus- n Annahmen nach jenen dem Bilde zu Grunde gelegten zu modiüciren. Jenen Künstlern aber, welche die Gesetze der Perspective richtig erfasst haben, wird es nicht schwer werden, die Grenzen zu begreifen, welche sie ohne Gefahr eines ästhetischen Ver- stosses überschreiten dürfen. Insbesondere muss dem Künstler überall dort gewisse Freiheit gestattet sein, wo es sich nicht um Vorstellung der positiven Wirklichkeit, sondern um Darstellung des syma bolisch Erhabonen und um Erzeugnisse der Phantasie überhaupt haudeltf; jedoch ist die Be- handlung in solchen Fällen auch minder naturalistisch zu halten. Ans diesen Gründen sind die Landschaftm, Genre- und Porträtmaler am meisten auf die strengen Anforderungen der perspecüvischen Wahrheit hingewiesen. Im weiteren Verlaufe wurde die Zeichnung des Kreises und der runden Formen be- handelt und wurden jene Methoden angegeben, mit deren Hilfe sich auf die einfachste Weise so viele Puncte desselben bestimmen lassen, als zur Zeichnung des Kreises überhaupt ge- eignet erscheinen. Diese Methode wurde sofort in ihrer Anwendung auf die Zeichnung von Gewölben und runden Körpern gezeigt. Zum Bchlusse wurde im Allgemeinen und besonders im ästhetischen Sinne der Unter- schied zwischen der geraden und schrägen Ansicht erläutert und wurde daran die Be- trachtung jener Fälle angeschlossen, in welchen bei gerader Ansicht ein Verriicken des Augpunctes nach einer Seite des Bildes zulässig ist, wo hingegen die schräge Ansicht zu wühlen sein wird. Bei eingehender Betrachtung des Stiches von Alb. Dürer „der h. Hieronymus in der Zelle" wurden die Nachtheile, welche in diesem sonst so reizenden Bildchen durch dss Verrücken des Augpunctes entstanden sind, nachgewiesen, und zugleich erwähnt, dass in dem Falle Alb. Dürer seinen Zweck durch Anwendung der schrägen Ansicht besser erreicht hätte, dass er aber nach dem damaligen Stand der Perspective auf die gerade Ansicht an- gewiesen war, da das Verfahren bei schräger Ansicht erst spiiter, insbesondere bei den Niederländern ausgebildet wurde. Nachdem bei seitwärts gerücktem Augpuncte der Sehkegel immer schräg geschnitten und das Bild einseitig erscheinen wird, so soll es als Regel gelten, den Augpunct wo möglich immer in die Mitte zu legen, das vonustellende Object hingegen so gegen die Bildiiliche zu drehen, wie es der Natur desselben am Besten entsprechen wird; wobei jedoch auf die Ausnahmen, welche ein Verrücken des Augpunctes rechtfertigen können. näher eingegangen wurde. In der siebenten Vorlesung wurde im Anschlusse an die in der vorigen Vor- lesung gegebenen allgemeinen Erklärungen die Zeichnungsmethoden fiir die schräge An- sieht angegeben. Es wurde gezeigt, wie die gesammts Lehre der Perspective bei der ge- raden Ansicht entwickelt werden konnte, wie alle Principien und gelehrten Methoden auch hier ihre Anwendung finden würden, und im Verlaufe noch jene Methoden erklärt, welche dadurch bedingt werden, dass die Fluchtpuncte (wenigstens einer derselben) in der Regel ausser die Tafel fällt. Nächst den Methoden über das Zeichnen von Pnrallellinien bei un- zugänglichen Fluchtpuncten wurde eingehend die Methode iiir das Zeichnen der Figuren selbst erörtert, welches darin besteht, dass man je nach Massgabe der Entfernung dieser Fluchtpuncte die zu zeichnende Figur in verkleinertem Massstabe nach dem Augpuncte rückt, und zwar in l, Q, oder f Theile der wirklichen Grösse. Nachdem dieses eine geo- metrische Production ist, so müssen die Linien der grossen Figur geometrisch parallel mit jenen von der verkleinerten Figur sein. Zum Schlusss wurde eine neue von Leeherger in München angegebene Methode erläutert, welche auf die beiden geometrischen Gnmdsätze basirt, dass jeder Winkel im Halbkreis ein rechter und dass der Centriwinkel doppelt so gross als der Peripheriewinkel sei. Aus diesen geomehischen Sätzen lässt sich eine Reihe praktischer Handgride für das perspectivische Zeichnen ableiten, welche insbesondere zur Richtigstellung von Aufnahmen nach der Natur vielseitige Anwendung finden und welche mit Leichtigkeit das Ansetzen von rechten Winkeln, das Zeichnen der Diagonalen und Gehrungslinien und das AuHinden der Theilpuncte ausführen helfen werden. Diese Methoden wurden an einigen im grossen Messstabe vorgewiesenen Zeichnungen mit Deutlichmacbung der Construction nachgewiesen. Die achte Vorlesung behandelte die Iillemeutc der Schattcnlehre. Nachdem die Perspective im weitesten Begriife des Wortes die Lehre von der Uebertragimg der Er. scheinung eines Gegenstandes auf eine Fläche ist, und nachdem die drei Momente der Er. schelnnng die Form, die Beleuchtung und die Farbe des Gegenstandes sind, so geht daraus hervor, dass die Schattenlehre sowie die Farbenlehre im innigen Zusammenhauge mit der Perspectivlshre selbst stehen und dass dieselben in gewisser Hinsicht als Zweige der Per-