DIE DEUTSCHEN KERAMIKEN DER SAMM- LUNG FIGDOR (II) 50' VON ALFRED WALCHER VON MOLTHEIN-WIEN S0 IE deutsche Keramik konnte sich nicht in demselben Ausmaße wie die italienische in den Dienst der Plastik stellen, doch hat sie manche tüchtige Arbeit hervorgebracht. Selten sind es selbständig gedachte Werke, sondern vorwiegend Teile eines Ganzen - Mittelstücke eines Ofens, Füllungen für die Portalarchitektur und dergleichen. Solche Ar- beiten zählen, wenn sie als Originalschöpfung eines Künstlers gelten können und für einen bestimmten Zweck behufs einmaliger Ausführung freihändig modelliert wurden, zur Tonplastik im engeren Sinne, während wir die massenhafte Wiederholung eines Reliefs aus einer Hohlform, wie dies hauptsächlich bei der Anfertigung von Kacheln zutage tritt, ebenso wie das hierzu dienende Originalmodell zu den Arbeiten der Ofenhazfner rechnen müssen. Ein Tonrelief mit den Figuren der drei Weisen aus dem Morgenland (Abb. 63) galt in den Sammlungen Soyter und Felix als Arbeit des Meisters Jodocus Vredis. Dieser Künstler, der als Prior des Karthäuserklosters Wedderen in Westfalen im Jahre 1540 starb, fertigte Heiligenbilder aus Terrakotta und bemalte sie. Seine Werke zeigen breitere Stilisierung und stärkere Bewegung als unser Relief, welches wir für eine rheinische oder niederländische Arbeit des XV. Jahrhunderts halten möchten. Zeugen früher Baukeramik haben wir bereits in den Firstziegeln von Ravensburg und Schwäbisch Gmünd kennen gelernt. Abgesehen von den Fliesen für den Boden-, Wand- und Deckenbelag, die wir später besprechen wollen, hat sich das keramische Handwerk im Mittelalter lediglich auf Arbeiten für die Dachung beschränkt und auch die Spätgotik hat haupt- sächlich mit der Herstellung von glasierten Dachziegeln verschiedenster Formen, bunten Firstziegeln mit Krabben das Auslangen gefunden. Erst die Hochrenaissance zieht sie für den Fassadenschmuck heran und überträgt ihr im Norden Deutschlands die Anfertigung von Fenster- und Torumrahmungen, Gesimsen, I-Iermen, Friesstücken und bei Verwendung aller dieser Teile auch von Kaminen. Diese Backsteinkeramik arbeitete mit feinem Ziegelton, der hartgebrannt die wetterbeständigen Formstücke lieferte. Nach den Schweizer Backsteinen der St. Urban-Technik des XIII. Jahrhunderts und einer kurzen Vorblüte im Norden um 1500 entsteht vor 1550 in Lübeck die große Werkstatt des Statius von Düren, die den ganzen Norden mit ihren Terrakotten versehen konnte. An seine Arbeiten erinnert das Medaillen mit dem Profilkopf eines vollbärtigen Mannes in der Tracht um 1540 (Abb. 64). Solche Porträtmedaillons finden sich in Lüneburg an mehreren I-Iäusern in 111