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KEVE". Dieses Wort bedeutet Garbe und ist der Name eines ungarischen Künstler-
„ bundes modernster Observanz, der im „Hagenbund" eine sehr beachtenswerte Aus-
stellung hat. Der Obmann ist Franz Szablya-Frischauf, der förmlich Schule gemacht hat.
Seine Gattin, unter ihrem Mädchennamen Ernestine Lohwag (Tochter des bekannten
Wiener Schriftstellers), und deren Schwester Frida Konstantin sind zwei seiner begabtesten
Anhänger. Der jung verstorbene Johann Göröncser, August von Benkhard, Arnold Gara
und noch andere sind Leuchten der Gruppe. Man kann wirklich sagen Leuchten, denn sie
alle stellen eine leuchtende Welt dar, die von einer nationalen Sonne auf den Glanz
beleuchtet wird. Luft und Licht gibt es da massenhaft, das Blendende des Sommers am
Plattensee, einen Zauber von Weiträumigkeit und Teints, wie Fakire sie haben. Auch
die Buntheit einer naiveren Kostümwelt kommt stark zur Geltung, selbst in Zeichnungen
eines sonst an Somoff und Beardsley erinnernden jüngsten, Rudolf Mihaly. Typisch gleich-
sam für das Empfinden ist ein Selbstbildnis Benkhards. Braun gebrannt von der Sonne,
steht er in gelber Bluse unter hellgrünen Laubzweigen, die dunkelblaue Schatten werfen,
das alles vor weißem Hintergrund. Aber es hat die Aufgelöstheit, den Schein des Seins.
Starke Qualität hat ein Bild: „Märchen" von Göröncser, das eine modernisierte Giorgione-
Stimmung (oder „Dejeuner sur Pherbe" in Manets Art] erweckt. Pariser Einflüsse liegen
natürlich auf der Hand. Eine der jungen Damen (Fräulein Fejervary) ist Schülerin von
Matisse. Aber es ist doch eine eigene Nuance in alledem. Der Bildhauer der Ausstellung
ist Edmund Moiret, jetzt in einer Wiener Meisterschule, ein ausgesprochenes Akt- und
Büstentalent. Auch kunstgewerblich ist eine Neuheit zu vermerken, die Spitzen der Frau
Kornis de Töthvärad. „Goldgelbe Farbenemotion mit blaulila Veilchen", „Farbenemotion
in Lila-Weiß", „Turanischer Traum", das sind so die Katalognummern. Sie lassen schon
erkennen, daß es sich um Stimmungsspitzen, sozusagen um Whistlerspitzen handelt.
jedenfalls äußert sich da ein Sondertalent für die Nähspitze rnit eigenartiger Delikatesse.
KLEINENACHRICHTENFK?
ERLINER CHRONIK. Das neue Heim des Kunstsalons von Keller und Reiner
zeigt, wie stark die gegenwärtige Strömung zu den alten Stilen ist. Als er begründet
wurde, herrschte in seiner Vorhalle die technische Formsprache von van de Velde, nackte
Konstruktionsbogen naturfarbenen Holzes im Eisenbahnbrückenstil. Jetzt empfängt uns ein
Vestibül im gedämpften Prunk eines Lenbach-Palazzo. Farbiger Marmor, eine dunkle mit
goldenen Sinnbildern gezierte Kassettendecke, eine stolze von einer Loggiengalerie herab-
leitende Treppe, Gobelins, Truhen und Büsten geben feierlichen Einklang. Diese festliche
Instrumentation ist ein gelungenes Werk von Bruno Schmitz. Es war eine schwierige
Aufgabe, solche Wirkung dem ursprünglich ganz konventionellen Miethaus in der Pots-
damerstraße - das seine unmögliche asthmatische Taubenschlag-Kuppel übrigens als ein
Gegenbeispiel-Wahrzeichen bewahrt hat - vollklingend abzugewinnen.
Über die Treppe kommt man in Räume, die einem hellen und heiteren Ausstattungs-
stiick gleichen. Die Wände sind gläsern und öffnen den Blick auf lichtschimmernde
Miniaturbühnen mit Stilleben der Objets d'Art: Fächer, Schmuck, Spitzen, Silber- und
Emailgerät. Point de Vue ist dann der große helle Oberlichtsaal für die Bilderausstellungen.
Er zeigt eine bunte, ziemlich ungleichmäßige Kollektion und sein Renommierstück ist das
recht flache und leere Kaiserporträt in Hofjagduniform von Felix Borchardt. Im ersten
Stocke liegen Interieurs, der ganze Stilatlas, bis zur üblichen Biedermeierei.
Man Findet hier manchmal glücklich angewandte gute alte Stücke, echte Gobelins,
lTürumrahmungen, einen Altar als Nischeneinbau. Aber auch Widerspruch regt sich, wenn
in dem sogenannten „strenggotischen Zimmer" statt des Holzpaneels moderner Rupfen
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