Paris und andere haben derartige Stoffe in so reicher Fülle beigesteuert, wie man sie bisher wohl niemals sehen konnte. Wir bieten hier ein Beispiel aus der großartigen Sammlung Stschukins in Moskau (Abb. 4). Der persische Stoff, der hier den Hauptteil eines griechisch-orthodoxen Kirchengewandes bildet, zeigt eine Szene aus der Erzählung von Madschnun und Leila: der Dichter war der Prinzessin mit seinen Liebesgedichten zur Last gefallen und deshalb in die Wildnis verstoßen worden; hier ist er nun zwischen den Tieren der Wildnis, die seinen Versen lauschen, dargestellt. Ähnliche Szenen finden sich auch sonst, besonders gern schöne Frauengestalten mit einer Blume und einem Gießgefäße; aber auch Jagdszenen, die Vorführung von Gefangenen und ähnliches sind dargestellt. Wir glauben nicht, daß es richtig ist, wenn man solche Figurenstoffe als hauptsächlich für Gesandte, die ins Ausland gingen, bestimmt ansieht; aber jedenfalls dienten sie für Prachtgewänder der höchsten Stände. Die späteren Figurenstoffe sind übrigens meist von sehr schlechter Art. Den Figurenstoffen reihen sich dann gestickte Gewänder und Gewand- teile an, von denen die schönsten die kaiserliche Rüstkammer zu Moskau und das Österreichische Museum ausgestellt haben. Gewiß sind die Figurenstoffe eine der bemerkenswertesten Erscheinun- gen der neuen persischen Kunst; doch wäre es irrig, ihnen eine vorherr- schende Bedeutung innerhalb der persischen Entwicklung zuschreiben zu wollen. Neben ihnen, und an Verbreitung und Bedeutung für die Gesamt- kunst ihnen gewiß überlegen, finden sich außerordentlich zart ausgeführte Samte und glatte Stoffe mit Gazellen, Leoparden, Fasanen und anderen Tieren und sehr fein beobachteten und gefärbten Blüten. Manche dieser Stoffe lassen übrigens auch an die Entstehung in dem mit Südpersien kulturell zusammen- hängenden Nordwesten Indiens denken. Zu den schönsten persischen Arbeiten gehört wohl der hier auf Seite 459 abgebildete Seidenstoff, der nun in den Besitz des Österreichischen Museums übergegangen ist. Die hier wiedergegebene eine Hälfte des Pluviales stellt eine einzige Bahn von auffälliger Breite dar. In der reizvollen, großen Führung der Arabesken wären einige der besten Teppiche, wie der sogenannte Polenteppich des regierenden Fürsten von und zu Liechtenstein, zu vergleichen; dazu ist alles mit außerordentlich zarten Blüten gefüllt. In bestimmten Rosettenformen wiederholt sich ganz klein die (gewebte) Inschrift „Muhammed dschan", offenbar der Name des Entwerfers. Andere große Gewebe nehmen auch die Gliederung von Gebetsteppichen an; die Stücke dieser Art mit viel Gold und Silber gehören aber wohl schon dem Niedergange des Kunstzweiges an. Nach unserer Empfindung liegt in solchen Stoffen, wie dem auf Seite 459 abgebildeten, mehr echter Orient als in den Figurenstoffen; aber es ist ein außerordentlich verfeinerter Orient, ist doch die persische Kunst gewisser- maßen die zarteste Blüte der mohammedanischen Kunst überhaupt - jedoch nicht nur die zarteste, in manchem Sinn auch die kräftigste, denn vom