UNST UND KÜNSTLER VON GESTERN UND HEUTE. Unter diesem Titel gab Professor Seligman, der Kunstberichterstatter der „Neuen Freien Presse", erst kürzlich ein Buch heraus," welches seine in den letzten jahren erschienenen Feuilletons über alle Ereignisse und Fragen des reich entwickelten künstlerischen Lebens von Wien zusammenfaßt. Das moderne Wiener Kunstfeuilleton hat eine gute, alte Tradition hinter sich; Männer von Geist und feinem Empfinden haben gerade hier kleine Meister- werke geschaifen, die das flüchtige Eintagsdasein eines Zeitungsartikels überdauern und auch noch von kommenden Generationen mit Genuß gelesen werden können. Das beweisen zum Beispiel die fein ziselierten Aufsätze Speidels, die man kürzlich in einer Auswahl herausgegeben hat. Professor Seligmann notiert in der Vorrede seines Buches, daß er seine Kunstberichte nicht als Historiker oder ästhetisierender Literat, sondern als ausübender Fachmann schreibe und er hat damit sehr klug das Wesen seiner Referate ausgedrückt, die allerdings sehr häufig über den Umfang solcher hinausgreifen und sehr viel bemerkens- werte, geistreiche Perspektiven bieten. Ich kann mir sehr gut denken, daß es gerade für einen „ausübenden Fachmann" recht schwierig ist, sich zu objektiver Beobachtung von Kunstwerken zu zwingen, die seiner eigenen künstlerischen Anschauung fremd sind oder ihr gar diametral gegenüberstehen. Denn je stärker die Individualität eines Künstlers ist, desto intensiver sind auch seine Sympathien und Antipathien ausgebildet. Seligmann ist Fachmann, gewiß, aber er ist es nicht bloß auf dem Gebiete seiner Kunst, der Malerei, sondern auch, wie sein Buch beweist, als Literat. Sein Stil ist persönlich und zeugt von spezieller Begabung. Das Schreiben über Kunst macht ihm Freude und Genuß. Er sucht die Werke fremder, ihm nicht sympathischer Kunst gerecht in ihren Motiven zu verstehen, denen er nachgeht; er verurteilt erst nach genauer Prüfung und mit Ernst und Gewissen- haftigkeit. Sein Stoff, das Feuilleton, das er gerade schreibt, vertieft und formt er zu großer Prägnanz und Anschaulichkeit. Gerade Wien mit seinem komplizierten Ausstellungsleben, das drei große Künstler- gruppen und zahlreiche kleinere Cliquen nuancieren, Wien mit seiner unendlichen Fülle zahlloser Beziehungen zwischen alter und neuer Kunst und Kultur, stellt an den Bericht- erstatter der größten Tageszeitung außerordentliche Anforderungen an Verständnis und Nerven. Fast überreich ist der Gesichte Fülle, die unaufhaltsam neben- und nacheinander an dem Beschauer vorüberziehen und dabei so heterogen, daß es außerordentlich schwierig ist, das Wesentliche zu erfassen und das was in allen diesen Erscheinungen das oft verborgen liegende künstlerische Moment, das Treibende ist, herauszuheben und darzulegen. Mit sehr viel Klugheit und gesundem Menschenverstand, der allerdings teilweise zu schroff das allzu Verstiegene und in seinen AugenExtravagante ablehnt, schreibt Seligmann seine Feuilletons. Recht reichhaltig ist der Inhalt des Buches und verschiedenartig. Neben Essays über die allgemeinen Aufgaben der Kunst und der kunstgeschichtlichen Entwicklung, neben solchen symptomatischen und prinzipiellen Charakters über die neuen Richtungen finden wir temperamentvoll geschriebene, geschlossene Charakterbilder von älteren und neueren, in erster Linie natürlich Wiener Künstlern und endlich Referate über allerlei aktuelle Wiener Kunstfragen, die aus Ausstellungen, geplanten Neubauten, Denkmal-Schutzfragen und so weiter herausgewachsen sind. Man kann dem Buche kein größeres Lob sagen, als wenn man erklärt, daß sein Inhalt tatsächlich wert war, der flüchtigen Existenz der Tagespresse entrissen zu werden, da es, in dieser Form zusammengefaßt, einen wertvollen Beitrag zur Psychologie des künstlerischen Lebens in Wien während der letzten Jahre bildet und - bilden wird, E. W. Braun-Troppau REISAUSSCHREIBÜNG. Das Kunstgewerbliche Museum der Handels- und Gewerbekammer in Prag schreibt aus den von der Kammer hierzu gewährten Mitteln für das Jahr xgio folgende Preisaufgaben aus: I. Halsschmuck, bestehend aus einem " Kunst und Künstler von gestern und heute. Gesammelte Aufsätze von A. F. Seligmann. Wien xg 10. Verlagsbuchhandlung Karl Konegen (Ernst Stillpnagl).