GE STOCHENE S ACHEN. Oft sind schon die zehn oder zwölf Namen von berühmten Malern, Bildhauern und Architekten der italienischen Renaissance zusammengestellt worden, die aus der Goldschmiedeschule hervorgegangen sind. Man hat das Verhältnis immer so aufgefaßt, als ob die Goldschmiedewerkstätte die eigentliche Kunstschule jener Zeit gewesen sei. Daran ist sicherlich etwas Wahres, aber man muß doch auch bedenken, daß weder vorher noch nach- her die allgemeine Erziehungskraft des Goldschmiedegewerks so markant hervorgetreten ist. Es muß also noch etwas anderes mitbestimmend gewesen sein. Vielleicht lag die wichtigste Ursache nicht, wie meistenteils ange- nommen wird, in der Blüte des damaligen Goldschmiedegewerks, sondern im Gegenteil in seinem Tiefstand. Zur Zeit der Renaissance waren die Leistungen des italienischen Goldschmiedehandwerks durchaus nicht hervor- ragend. Die sogenannten Wunderwerke der Silberarbeit, vom Altar von Pistoja angefangen bis zum Dompaliotto in Florenz, sind, als Ganzes betrach- tet, eigentlich nur des grandes machines, und andrerseits haben weder Frank- reich noch Deutschland im XV. Jahrhundert eine so große Zahl schlechter Silberkruzifixe und liederlich gearbeiteter Emaillen hervorgebracht wie Italien. Wir dürfen vielleicht sagen, daß die guten Kräfte in der Routine der ita- lienischen Goldschmiedewerkstätten der Renaissance keinen Platz zur Betä- tigung ihrer Talente fanden, und daß sie deshalb in die sogenannte hohe Kunst übertraten. Wie oft werden in unserer Zeit Lithographen ganz ausge- zeichnete Maler, aber es wird doch niemand einfallen zu sagen, daß die Litho- graphie - namentlich die ältere - eine besonders gute Schule für Maler sei. Und dann wissen wir auch, wie diese Renegaten der Lithographie oft jahre- lang daran zu arbeiten haben, bis sie die Engherzigkeit ihres früheren Berufs abgestreift haben. So mögen auch die aus der italienischenGoldschmiedeschule hervorgegangenen Renaissancekünstler in aufreibender Selbstkultur gegen die alten I-Iandwerksgepflogenheiten gekämpft haben, bis sie sich zu künstle- rischer Freiheit emporgerungen hatten. Sie sind große Meister geworden, trotzdem sie aus dem Goldschmiedegewerbe hervorgegangen sind und nicht, weil sie sieben Jahre Draht gezogen und Kretz gefegt und nicht, weil sie weitere sieben Jahre Plantschen geschlagen und Becher aufgezogen haben. In Deutschland lagen die Verhältnisse etwas anders. Hier ist eine Künstlergruppe ganz zweifellos aus dem Goldschmiedehandwerk hervor- gegangen, aber nicht gerade Maler, Bildhauer oder Architekten, sondern Kupferstecher. In Deutschland war im Gegensatz zu Italien das Goldschmiede- gewerk im XV. Jahrhundert in hoher Blüte, und man beschäftigte sich hier mehr als dort mit dem gravierartigen Meißeln von Figuren und figuralen Szenen auf Silberplättchen. Nachdem mit Rücksicht auf subtilere Arbeits- weise der Grabstichel neben dem Meißel Eingang gefunden hatte, waren bei den deutschen undden stammverwandten niederländischen Goldschmieden die künstlerischen und materiellen Kräfte in ihrer Vereinigung genügend