Wie sehr auch dieses gotische Juwel selbst dem Kenner als eine Seltenheit auffällt, ist es doch nicht ohne Beispiel in unserem Denkmäler- bestand. Ein sehr ähnliches befindet sich im British Museum; wir bilden es in Figur 71 ab. Ein Stück etwas entfernterer Verwandtschaft ruht an einer mehr verborgenen Stelle. Es ist der Fürspan, Figur 72, am Gewande einer Figur 7x. Nat. Gr. (Brit. Mus" London) Figur 72. Nat. Gr. (Dorn, Osnabrück) Silberfigur des XV. Jahrhunderts im Dom zu Osnabrück, offenbar eine Votivgabe, der man einen guten Platz zu geben verstanden hat. Das Londoner Stück steht künstlerisch und kompositionell dem Figdorschen weit näher, und wenn es, wie dieses, emailliert wäre, würde es als ein direktes Gegenstück bezeichnet werden können. Das Osnabrücker ist zwar emailliert wie das Figdorsche, aber pikanter komponiert und subtiler ausgeführt. Immer- hin bilden die drei Stücke zusammen eine einheitliche Gruppe, weil sie nach Zeit, Kunstwollen und teilweise nach erzieltem Effekt zusammengehören. Man hat einmal sehr richtig gesagt, daß diese kleinen Goldarbeiten in der Schmuckgeschichte nur eine Parallelerscheinung zur gotischen Groß- plastik seien, und so muß man unter deren Denkmälern Umschau halten, um das handwerkliche Schmuckstück an die hohe Kunst anzuschließen. Die Kleinarbeit greift aber, namentlich bei einem getriebenen Werk wie hier, so tief in die Gestaltung ein, daß es schwer wird, ein wirklich nahestehendes Vorbild zu linden. Die fast romanische Weichheit, die wohl nur die Technik des Treibens über die Figur ausgegossen hat, macht es besonders schwer, innerhalb der strengeren gotischen Kunst ein Analogon zu finden. Immerhin sei der Versuch gemacht, auf einen Konsolenkopf am Schönen Brunnen in Nürnberg hinzuweisen, der nicht nur an das Figdorsche Kleinod, sondern an unsere ganze Gruppe anklingt. Die Konsole gehört zwar zur ersten Anlage des Brunnens aus dem Schlusse des XIV. Jahrhunderts, und unsere Arbeiten sind etwa zwei Menschenalter iünger, aber eine gewisse stilistische Übereinstimmung ist doch bemerkbar. Die Frage, welchem Zweck solche Stücke gedient haben, können wir durch einen zweifachen Hinweis beantworten. Erstens trug man sie als Fürspan, wie es die Osnabrücker Figur und eine Menge anderer plastischer Werke und Gemälde beweisen. Unter diesen letzteren sei wegen der engen