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SEBALD BOCKSDQRFFER. ZUR GRABSTEIN-
PLASTIK DER FRUHRENAISSANCE IN INNS-
BRUCK Sie VON PHILIPP M. HALM-MUNCHEN
ER Grabstein des Ritters Christoph von Truchseß im
Kreuzgang von Kloster Neustift bei Brixent zählt
zu den besten Werken sepulkraler Plastik in Tirol
und ist wohl neben der Grabplatte des Oswald von
Säben am gleichen Orte das reichste Werk seiner
Gattung in diesem Gebiete (Abb. 1). Den untern Teil
der stattlichen Rotmarmorplatte nimmt eine zwei-
spaltige Inschrift von je acht Zeilen ein, die
besagt, daß Siegmund von Dietrichstein, der Silber-
kämmerer und Rat Kaiser Maximilians, das Monu-
ment seinem besten Freunde, dem Ritter Christoph
von Truchseß, der im kaiserlichen Heere im Kampfe gegen Venedig am
15. Oktober 15m gefallen war, errichtet hat.
Das eigentliche Bildfeld umschließt ein Fries von zusammen acht Putten,
zwischen denen merkwürdige Ornamentstücke, halb Konsolen, halb Balda-
chine, eingeschoben sind. Nach oben schließt dieser Fries mit den obersten
Putten im Halbkreis ab. Die Eckzwickel füllen gleichfalls zwei Putten, der eine
mit Rauchfaß, der andere mit Weihbrunn und Aspergill, aus. Im Bildfeld
kniet zu unterst der Ritter, nach rechts gewandt, mit ausgebreiteten Händen.
Vor ihm steht sein Wappenschild, von zwei Heimen gekrönt. Zu seinen
Füßen kauert ein Löwe, sein Schwert liegt am Boden. Die obere Hälfte des
Bildwerks stellt in der Art eines Tympanons ein Erbärmdebild in drei Halb-
tiguren dar, das nach unten mit drei Engelchen in einem stilisierten Wolken-
band abschließt. Christus weist mit der Rechten, die Maria unterstützt, auf
seine Wunde, sein linker Arm ruht in den Händen Johannis. Die benachbarten
Putten halten Schildchen mit den Marterwerkzeugen, die beiden obersten an
ringförmigen Henkeln eine Kugel mit dem Monogramm IHS. Die Lücke zu
I-Iäupten des Ritters füllen links ein von einem S umschlungenes Schwert-
das Ordenszeichen der zyprischen Ritter des Stillschweigens - und eine
Tafel mit dem fünffachen Kreuze des Ordens vom heiligen Grabe, die ein
Engel von oben herabhält. Rechts Hattert ein von einem Putto und einem
Engel gehaltenes Band herein mit der Inschrift in Frührenaissance-Majuskel
DEVS PROPICIVS ESTO MICHI P(EC)C(A)TORI.
Die kunstgeschichtliche Bedeutung der Grabplatte liegt in der eigen-
artigen Mischung gotischer und Renaissanceformen. Die Gesamtanordnung
des Bildfeldes ist durchaus gotisch. Sie gibt in ihrer Zweiteilung ein Schema,
das im allgemeinen schon in dem Grabstein des Oswald von Säben,
' Das Verdienst, auf diesen Grabstein zum erstenmal aufmerksam gemacht zu haben, gebührt Hans
Semper. Siehe Zeitschrift des Bayrischen Kunstgewerbevereines (1890), Seite 109 ff. Riehl, Die Kunst an der
Brennerstraße, 1908, Seite x30. Der Stein hat eine Höhe von 2-60 Meter und eine Breite von r'3o Meter.