Pontarlier". Ansichten aus der Berg- und Gletscherwelt sind die Spezialität von Jeanes Lemordants Darstellungen: der „Wind" und „Die Heimkehr" sind so krähig gestrichen, daß man den Eindruck hat, als fände es der Künstler unter seiner Würde, mit einem weniger als handbreiten Pinsel zu malen. Es liegt viel Talent in seiner Komposition. Henri Marret huldigt der Exzentrizität, die Ölfarbe so dick aufzutragen, daß seine Bilder wie eine Reliefkarte aussehen. Abgesehen davon verfügt er über ein bedeutendes künstlerisches Können. Sehr sympathisch sind die holländischen, beinahe farblosen Land- schaften von Louis Perinet. In schreiender, herbstlicher Farbenpracht machen sich die Waldbilder von Alfred Smith bemerkbar. Eine ganze Wandiläche ist den exotischen. orientalischen Frauentypen von Andre Sureda gewidmet. Es ist offenbar ungünstig für dieselben, wenn man gleich zwanzig solche Bilder, alle im gleichen Stil, zu nahe neben- einander sieht. Einzeln betrachtet, sind es vorzügliche kräftige Kohlenzeichnungen, da und dort mit etwas Farbe ergänzt (dessins rehausses). Manzano-Pissaro scheint sich von den japanischen Lichtdrucken Ideen geholt zu haben. Trotzdem die Wahl der Sujets sich auch daran anschließt, sind seine Opiumraucherinnen und badenden Frauen zwischen Enten und Schwänen lange nicht so anziehend wie die der echten japanischen Kunst. Zu den Gesprächen über die letzten Neuigkeiten gehört unbedingt der Meinungsaus- tausch über die „Futuristes italiens". Diese in der Galerie Bernheim stattfindende Ausstellung will oder muß jeder gesehen haben! Die beiden kleinen Säle, welche die „ultramodernsten" Kunstwerke beherbergen, sind immer gesteckt voll, und wer sich dort einmal auf einen Sitzplatz niederläßt, geht nicht mehr fort: es ist ein ununterbrochenes Theater, die Mienen und Aussprüche der verblüfften Besucher zu beobachten. Den „Futuristen" ist es entschieden gelungen, hier Sensation zu erregen, ja es gibt sogar Menschen, welche sich eifrig bemühen, in den Geist dieser neuen Auffassung der Malkunst einzudringen. Mit der Feder läßt sich die Sache nicht gut beschreiben, die Bilder selbst enthalten auch keine Antwort auf die Frage, zu welchem Zweck und aus welcher Anregung sie eigentlich entstanden sind. Man muß den Katalog zu Hilfe nehmen, denn es trägt entschieden zum Humor der Sache bei, wenn man die Benennungen der einzelnen Bilder kennen lernt. So erfährt man zum Beispiel, daß lauter zerstreute Teile eines Frauenbildnisses (als wäre es zerschnitten und ganz unrichtig zusammengefügt worden) „la danseuse obsedante" heißt! Ein anderes, in welchem Hände und Frauenköpfe in einem Gewirr von feuerwerkartigen Linien planlos hcrumschwimmen, ist „Souvenirs d'une nuit" betitelt. Die meisten Bilder der Futuristen sind äußerst grell in der Farbe und setzen sich aus lauter eckigen Teilen zusammen, wodurch sie einigermaßen an den Kubismus des letzten Salon d'Automne erinnern. Fast immer ist das Sujet ein Chaos, so ähnlich wie man sich den Anblick einer Dynamitexplosion vorstellt. Die ausstellenden Künstler, deren fünf: Boccioni, Carra, Russolo, Balla, Severini, lassen es an keinem Mittel fehlen, um ihr anarchistisches Kunstkredo in die Welt zu posaunen. Ein umgehendes „Manifest an das Publikum" als Vorwort im Katalog und die in der Ausstellung abgehaltenen Vorträge von F. T. Marinetti verdammen alles, was bis jetzt auf dem Gebiet der Malkunst geleistet und geschätzt wurde. Alles, was etwas Still- stehendes darstellt, ist verächtlicher „Passeismus"! Die neue Kunst arbeitet nicht nach einem Modell, sondern trachtet danach, gleichzeitig den Eindruck der Bewegung und den eines Seelenzustandes in einem Bild zu verkörpern! Diese neue Abart, um nicht zu sagen Ausartung, der modernen Bestrebungen gibt immerhin zu, daß ihre Werke nur der erste Grundstein der Zukunftsmalerei sind. Sie nennen ihre Schule „Primitivisme Futuriste". Von der Anerkennung des Publikums wird vorläufig ganz abgesehen, die Menschen müssen erst lernen, ihre durch jahrhundertelange Traditionen verdorbenen Sehorgane ganz anders zu gebrauchen! Man denkt unwillkürlich, daß die in Italien so besonders beliebten Kinematographen einen geistigen Zusammenhang mit der Entstehung des Futurismus habgfh Th. Kulmer