Wie gesagt, die Kirche hat durch Jahrhunderte bewiesen, daß sie_ jede edle Form für geeignet hält, ihren ewigen Inhalt uns näher zu bringen; sie hat aber nie eine bestimmte Kunstforrn für die einzig richtige erklärt. Es wäre auch bedenklich; denn man zeigte damit gewissermaßen, daß der Mensch sich erst in eine bestimmte Zeit versetzen müsse, um wirklich kirchlich empünden zu können. Die Erstarrung der kirchlichen Kunst war nur vorübergehend und hat mit dem Wesen der Kirche nichts zu tun. Im Gegenteile, sie stammt aus dem Leben außerhalb der Kirche; sie hängt mit der teilweise mißverstan- denen historischen Auffassung des XIX. Jahrhunderts zusammen. Vor den Ewigkeiten des Göttlichen sind alle Formen vergänglich und wandelbar; es erscheint uns eher weltlich, bestimmten Menschenwerken Ewigkeitswert verleihen zu wollen. Bloß durch Ringen nach dem Schönen und Edlen, nicht durch scheinbar Erreichtes kann der Mensch dem Höchsten dienen. Das sind vielleicht die Gedanken, die bleiben werden, wenn man die Ausstellung bereits verlassen hat. AUS DEM WIENER. KUNST-LEBEN so.- HARTWIG FISCHEL-WIEN so VON ÜSSTELLUNGEN. Mit dem bunten Herbstlaub, das alle Gärten der Großstadt schmückte, stellte sich auch wieder die bunte Leinwand an den Wänden der Aus- stellungsräurne und Kunstsalons ein, die einen Saisonbeginn verkündet. Leider ist der Beginn nicht vielversprechend; die Lage der Wiener Künstlerver- einigungen, welche an der Entwicklung moderner Kunstbestrebungen tätigen Anteil haben, hat sich noch nicht gebessert; als freudiges Ereignis kann man nur eine höchst wertvolle Erhöhung der staatlichen Kunstkredite verzeichnen und den Verbleib des Direktors der Österreichischen Staatsgalerie an seiner wichtigen Stelle. Ein Verlust dieser so bedeutenden Kraft wäre ein schwerer Schlag für die in schöner Entwicklung begriffene Kunstsammlung und damit auch für das gesamte österreichische Kunstleben geworden. Dagegen hat aber die Galerie Miethke die Leitung durch Karl Moll verloren. Von dieser Stelle aus sind bisher der Wiener Kunstwelt viele wertvolle Genüsse geboten worden; der feine und impulsive Künstler hat es stets verstanden, den wahren Freunden ernster und edler Kunst bedeutungsvolle Anregungen, Belehrungen und Freuden zu verschaffen; er hat eine ungemein wichtige Rolle dabei gespielt, wenn es galt, unterschätzte Größen zu Ehren zu bringen, vielversprechende Begabungen zu fördern, disponible Schätze den Wiener Sammlungen zu sichern. Wenn er diese Wirksamkeit nun einschränkt, wird die Lücke schwer empfunden werden müssen, die eine so markante und einilußreiche Individualität durch ihr Zurückziehen hinterläßt. Den Reigen größerer Veranstaltungen hat die Wiener Künstlergenossenschah mit einer Herbstausstellung erölfnet. Es ist eine Revue, mit den bekannten Krähen veranstaltet. Aus dem Rahmen fallen aber zwei Kollektionen, von denen eine den einstigen Führer der Dachauer Gilde Ludwig Dill in seiner jetzigen Wirksamkeit repräsentiert. Dieser ausgezeichnete Theoretiker und kräftige, bewußte Vertreter einer eigenen Farben- anschauung breitet eine große Folge feintöniger, breithingesetzter Landschaiiten vor uns aus. Die vier Wände eines ansehnlichen Raumes sind ganz mit diesen aus einer