M "MVQN EDÄCHTNISAÜSSTELLÜNGEN. Die beiden aktiven Wiener Künstler- vereinigungen. die Künstlergenossenschaft und die Sezession, feiern die hundertste Wiederkehr des Geburtstages von drei Wiener Künstlern. Die Sezession ehrt das Andenken ihres einstigen Ehrenpräsidenten Rudolf v. Alt, den man fast noch als einen Lebendigen empfindet - so kurze Zeit ist verilossen, seitdem er schied - so vielfach und begeistert ist seitdem sein Name genannt und sein Werk gepriesen worden - so stark stand er noch im Leben seiner Zeit bis zu seinem letzten Augenblick. Die Künstlergenossenschaft mußte an eine Ausgrabung schreiten. Carl Rahl und Josef Hasslwander, die Freunde und Altersgenossen, sind der lebenden Generation nicht im Gedächtnis geblieben. Und wenn dies schon bei dem bescheidenen und zurückgezogenen Hasslwander leicht erklärlich scheint, auch der ungleich stärkere, impulsive Rahl, der für seine Zeit eine so wichtige Rolle spielte, der so feurig und kraftvoll auftrat, steht für uns weit zurück in der Vergangenheit mit seinem Werk. Über Rudolf v. Alt liegen nun schon gründliche, großangelegte und übersichtliche populäre Publikationen vor. Alle öffentlichen und die meisten privaten Wiener Kunstsamm- lungen besitzen treffliche Blätter und zahlreiche Familien schätzen einzelne Erbstücke von seiner Hand als kostbaren Besitz. Die unerhörte Reichhaltigkeit und Gleichmäßigkeit seiner Lebensarbeit macht es leicht, diesen glänzenden Erzähler und tiefempfindenden Natur- schilderer dem Publikum der jetztzeit nahezubringen. Man kann aus dem Vollen schöpfen, wenn man eine Ausstellung veranstalten will, die ihn repräsentiert. Dabei weiß man sich auch des Beifalls jener sicher, die nicht allein von der künstlerischen Seite gefaßt werden wollen. Das Gegenständliche ist stets auch so anziehend und anregend, daß seine Werke als Dokumente ihrer Zeit hohen Wert besitzen. Die photographische Genauigkeit, mit der er alles Geschaute festzuhalten vermochte, verblüfft auch noch heute, wo man durch die Vollkommenheit der photographischen Technik gegen alle gegenständliche Darstellung abgestumpft wurde. Es ist ein hoher Genuß, die übersichtlich und geschmackvoll geordnete Alt-Ausstellung zu durchstreifen. Man kann den Meister in seinen frühesten Arbeiten studieren, wie er eben die Lehren seines Vaters durch eigenes Schaffen betätigt und gleich seinen Lehr- meister weit überholt hat. Man kann ihn beim Porträt beobachten, das er früh schon miniaturenhaft mit vollendeter Sicherheit hinsetzt, und wundert sich dann nicht mehr, daß er, der gefeierte Architekturmaler, eine Eröffnung des Akademiegebäudes malen konnte, auf der ein Heer von Teilnehmern porträtgetreu mit verblüffender Treffsicherheit dargestellt ist. Man sieht die einst penible, spitzige Strichmanier in breitere, lebendigere Auffassung übergehen, man sieht die Kraft der Farbengebung wachsen, die immer wärmer und tiefer wird und auch bei zunehmendem Alter nicht verblaßt. ja gerade in spätesten Jahren wagt er sich noch an neue Probleme wie jene Ausseer Wald- und Wiesenstudien, die eine so hohe Meisterschaft zeigen, daß man ein ununterbrochenes Wachsen des Künstlers fühlt. Eine pietätvolle Hand hat das Arrangement geleitet, hat dem Katalog eine Sammlung von Alt-Porträten beigegeben und hat schließlich einen Teil des Arbeitsraurnes mit dem Arbeitsplatz am Fenster, den der Künstler so liebte, stimmungsvoll wiederhergestellt. Wer jemals den Aquarellpinsel beherrschen lernte und das Rafiinement der modernen Hilfs- mittel kennt, wird mit Rührung das primitive Werkzeug erblicken, das so Vollendetes hervor- bringen konnte; seinen Malkasten mit billigen Farben, das ungespannte Blatt, den Arbeits- tisch, der einem Schreibtisch gleicht. Und hingeschrieben wie etwas Selbstverständliches hat ja der Künstler sein Werk, ob er nun im Gewühl der Straße stand oder am Arbeitstisch saß. Intimität, Wärme des Empfindens spricht aus dem behaglichen Raum, in dem Alt wirkte. Er ist uns persönlich nahegerückt, weil seine Umgebung so sehr den Stempel des