443 Gärtner vergewaltigte sein Material oder das Material vergewaltigte ihn. Die Gegenwart tadelt in dem ersten Falle die Roheit, mit der die lebendige Natur als gewöhnliches Baumaterial behandelt erscheint und vermißt im zweiten Falle ein wesentliches Element der Gartenkunst, nämlich die Kunst. Anders ausgedrückt: Formgefühl und Inhaltsgefühl liegen gegeneinander im Streit. Dieses ganz verschiedene Empünden kommt am reinsten in den Gegensätzen der Gartenkunst im XVIII. und im XIX. Jahrhundert zur Hausgarten mit Kinderspielplatz, Giesecke, Leipzig (nach Photographie der Deutschen Werkstätten für Garten- kunst) Erscheinung. Im XVIII. Jahrhundert gelangte das F ormgefühl zu vollstän- digem Sieg, im XIX. das Inhaltsgefühl. Die Gegenwart sucht nun nach einer Aussöhnung und hofft vom Garten der Zukunft, daß er dem Formgefühl und dern Inhaltsgefühl Rechnung trage. Das ist der Kern der Bestrebungen aller heutigen Reformatoren der Gartenkunst, wie eines Schultze-Naumburg, Lichtwark, Muthesius, Olbrich, Lux und anderer. Schon früher als diese Deutschen sind die Engländer zu dieser Einsicht gelangt, ohne sie indes theoretisch und lehrhaft auszubauen. Die meisten englischen Villengärten sind nicht mehr Landschaftsgärten im Sinne Reptons und seiner Genossen, sondern Anlagen, die Natur und Kunst in wohltuender Weise in Harmonie zu setzen wissen (Abb. S. 238-240).