vornehmen Künstlern ihre Kenntnis der Geisteswelt und der Lebensformen vergangener Zeiten vertiefen wollen. Zugleich wird sie allen jenen wertvoll werden, die geschichtliche Studien treiben, sei es nun auf dem Gebiete der Kultur, der Politik oder der Entwicklung künstlerischer Kräfte. Für die einen gewinnen Namen und Ereignis neue Gestalten und Verkörperungen, für die andern tauchen Erscheinungen von Bedeutung aus dem Meere der Vergessenheit, runden sich Bilder und Formen von bisher mangelhaft oder nicht bekannten künstlerischen Persönlichkeiten in unerwarteter Vollständigkeit. l-Iartwig Fischel CHVVÄBISCHE GLASMALEREI." Rasch ist dem ersten Bande der beschreiben- den Fachkataloge der prächtigen Stuttgarter Altertümersammlung, der das Ludwigs- burger Porzellan behandelt, ein zweiter Band, „Schwäbische Glasmalerei" gefolgt. Auch dieser ist eine Arbeit des bewährten Forschers auf kunstgewerblichem Gebiete Leo Balet. Dem eigentlichen Kataloge, der die stattliche Zahl von x26 Nummern aufweist, die sämtlich entweder in Textillustrationen oder in farbigen Tafeln reproduziert sind, geht eine kunst- geschichtliche Einleitung voraus, die vermutlich für lange Zeit die einzige kunstgeschichtliche Darstellung der schwäbischen Glasmalerei überhaupt sein wird. Sie beschränkt sich keineswegs auf die im Museum befindlichen Objekte, sondern umfaßt die schwäbischen Glasrnalereien in ganz Württemberg. Auf diese Weise hat Balet die Grundlage für einen klaren und übersichtlichen geschichtlichen Umriß gewonnen, innerhalb dessen alles noch Vorhandene seinen richtigen Platz findet. Für die gotische Periode ergibt sich die Gliede- rung in drei große Schulen: eine oberschwäbische, die uns in der Heiligkreuzer Kloster- kirche, der Ravensburger Stadtkirche und im Ulmer Münster am besten veranschaulicht wird, eine Eßlinger Schule, für die wohl ein französischer Einfiuß angenommen werden darf, und für die das Museum ein vorzügliches Stück aufweist, und die württembergisch- fränkische Schule, deren ältestes Werk, eine Biblia pauperum, sich in der Liebfrauenkirche zu Eßlingen befindet und die auch im Museum in den fünf Stöckenburger Fenstern mit Stifterfiguren gut vertreten ist. Die spätere schwäbische Glasmalerei seit der Mitte des XV. Jahrhunderts schließt hauptsächlich an die Ulmer Schule an. der berühmteste unter einer Anzahl bekannter Meisternamen ist der des Hans Wild, von dem das Museum zwei Figurenscheiben besitzt. Andere hervorragende Arbeiten dieser Periode sind die des Hausbuchmeisters, der, obwohl er nicht zu den schwäbischen Meistern zu zählen ist, doch viel in Schwaben gearbeitet hat, ferner des Meisters von Meßkirch, von dem das Museum sechs prächtige Wappenfenster aufzuweisen hat. Eine Anzahl bisher unbekannter Künstlernamen wurde durch Balets archivalische Forschungen in die Geschichte der Glasmalerei einge- führt. Selbstverständlich fehlen auch nicht für diese und die folgende Zeit die Nachweise der von den Glasmalem verwendeten Stiche und Holzschnitte. Eingehend bespricht der Verfasser die Biblia Pauperum-Fenster im Kreuzgang des Hirsauer Klosters, deren Geschichte sich bis zur Mitte des XIX. jahrhunderts verfolgen läßt, während gegenwärtig nur mehr ein kümmerliches Bruchstück davon erhalten ist. Vom XVI. Jahrhundert an werden die Beziehungen der schwäbischen zur Schweizer Glasmalerei immer lebhafter und dauern fort bis zum allmählichen Erlöschen dieser Kunst im XVII. Jahrhundert. Besondere Anerkennung verdienen die Illustrationen dieses prächtigen Kataloges. Die acht farbigen Tafeln suchen mit allen Hilfsmitteln der modernen Technik jene Leuchtkraft der Farben zu erreichen, die den Originalen eigen ist, während die x26 Textillu- strationen sich durch großes Format und dementsprechende Klarheit und feine Abtonung auszeichnen. Vervollständigt durch eine umfassende Literaturangabe sowie ein Meister- und Ortsverzeichnis, reicht die Bedeutung dieses Kataloges weit über den Kreis der schwäbi- schen Heimat hinaus und wird zum unentbehrlichen Ratgeber und Wegweiser auf dem gesamten Gebiete der Glasmalerei. J. Folnesics ' Kataloge der Königlichen Altertümersammlung in Stuttgart. Band ll, Schwäbische Glasmalerei von Leo Balet. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1912. M. 36.